Das große Finale naht. 32 Spiele haben die MLP Academics Heidelberg absolviert, 2.814 Punkte erzielt und 24 Siege gefeiert. In der Hauptrunde, die als Zweiter beendet wurde, hatte man ligaweit das beste Korbverhältnis und musste sich in der Endabrechnung lediglich hinter den mittlerweile ausgeschiedenen Rostock Seawolves einordnen. Diese scheiterten in den Playoffs unter anderem am beeindruckend stark aufspielenden Finalgegner der Academics aus Leverkusen.
Es ist ein ganz besonderes Gefühl, auf die Homepage der Barmer 2. Basketball Bundesliga zu gehen und unter der Rubrik ‚Spielplan‘ nur noch zwei Spiele zu sehen, wenn diese beiden mit eigener Beteiligung sind. Während alle anderen Teams der ProA im wohl verdienten Urlaub oder schon in der Vorbereitung auf die kommende Spielzeit sind, heißt es für die Kurpfälzer noch zwei Mal: Trikot anziehen, Schuhe schnüren und raus aufs Parkett! Traditionell wird das Finale im Modus Hin- und Rückspiel ausgetragen, auch wenn die Aufsteiger zu diesem Zeitpunkt bereits feststehen. Eine Saison braucht einfach einen Meister, den Champion. Diesen spielen in dieser coronabedingt etwas speziellen und durchaus turbulenten Spielzeit die MLP Academics Heidelberg und die Bayer Giants Leverkusen aus.
Das Werksteam aus Nordrhein Westfalen ist ohne Zweifel das heißeste Team der Liga derzeit. In den Playoffs legte man einen beeindruckenden Lauf hin und musste sich in der nominell stärkeren Gruppe lediglich einmal in Jena geschlagen geben. Dem Coach der Giants Hansi Gnad scheint es im Laufe der Saison gelungen zu sein, seinen Spielern eine echte Winner-Mentalität einzuimpfen. Man glaubt an den Erfolg. Selbst Spieler, die in der regulären Saison eher unauffällig agierten trumpfen plötzlich groß auf. In den vorentscheidenden ersten drei Spielen mutierte Grant Dressler zu einem der Topscorer und erzielte über 16 Punkte im Schnitt.
Eine Konstante in der Offense ist der Bundesliga erfahrene JJ Mann, der seinerseits bei einer Trefferquote von über 40% von „Downtown“ auf 15,2 Punkte im Schnitt kommt und überdies ligaweit die meisten Bälle klaut. Er antizipiert dabei äußerst gut und ist immer zur Stelle, wenn der Ball in Reichweite ist. Der dritte und erstaunlicherweise letzte Importspieler im Bunde ist mit Wyatt Lohaus ein Akteur, der sich nahtlos in das Team einfügt und dabei meist unauffällig aber sehr teamorientiert agiert.
Die Giants sind nicht zwingend eine Mannschaft voller Highflyer sondern eher eine sehr homogene, gut eingestellte Mannschaft, bei der die deutschen Spieler einen Großteil des Scorings ausmachen. Während die US-Garde der Academics ganze 66% der Punkte ihres Teams erzielt, ist dies bei den Giants genau umgekehrt. Fast zwei Drittel der Punkte gehen auf das Konto der Spieler mit deutschem Pass. Liga Bestwert! Besonders imposant ist die rein deutsche Aufstellung unter dem Korb. Mit dem 2,16m großen Dennis Heinzmann (11,8 Punkte und 9,8 Rebounds in den Playoffs), dem talentierten 2,10m großen Linkshänder Marco Bacak und dem wuchtigen sowie athletischen Eddy Edigin hat Gnad hier die Qual der Wahl und unsere Jungs um Phillipp Heyden und Armin Trtovac jede Menge Arbeit vor sich.
Den beeindruckendsten und wohl auch denkwürdigsten Weg hat hingegen ein anderer hinter sich gelegt. Bei den Rostock Seawolves von Dirk Bauermann aussortiert wechselte Haris Hujic im Sommer zum Werksteam nach Leverkusen. Hujic galt schon immer als großes Talent und versuchte sich in Oldenburg auch schon in der easycredit BBL. Dort kam er über Kurzeinsätze nicht hinaus. Dieser Schritt kam wohl auch noch etwas zu früh, weshalb er sich im Jahr darauf den Seawolves anschloss, um dort zu versuchen den Aufstieg gemeinsam mit seinem Team zu erreichen und so quasi den „organischen“ Weg in die BBL zu gehen. In Leverkusen scheint er mit Hansi Gnad den richtigen Förderer und kongenialen Counterpart gefunden zu haben. Unter dem Coach entwickelte sich Hujic, der viele Freiheiten in der Offensive bekommt, zum absoluten Leistungsträger und den wahrscheinlichen MIP (most improved player) der Saison.
In Spiel vier der Playoffgruppe 1 kam es letztendlich zum Showdown in Rostock. Es war die letzte Chance für die Seawolves doch noch ein Wörtchen um den Gruppensieg mitzureden. Und es sah gut aus für die Gastgeber, denn 1:16 Minuten vor dem Ende führte man mit sage und schreibe acht Punkten (79:71) und sah wie der sichere Sieger aus. Zu erfahren, zu abgezockt traten die Spieler des Ex-Bundestrainers Dirk Bauermann auf. Doch sie hatten ihre Rechnung ohne Hujic gemacht.
Zunächst bediente er Edigin mit einem Zuckerpass, den dieser mit einem Korbleger vollendete. Nur noch sechs Punkte Rückstand, doch die Zeit wurde knapper. 35 Sekunden vor Ende verkürzte Hujic mit einem Dreier dann auf 79:76, um vier Sekunden vor Ablauf der Spielzeit sein Ex-Team schließlich mit einem Wahnsinnsdreier aus 9 Meter Entfernung in die Verlängerung zu zwingen, die mit 17:4 an die Giants ging.
Punkte aus der Ostermann-Arena zu entführen ist ein schweres Unterfangen. In 17 Heimspielen in dieser Saison gab es gerade mal eine einzige Niederlage gegen das Spitzenteam aus Thüringen, Science City Jena. Ansonsten schickte man alle Gegner punkt- und teilweise gar mutlos wieder auf die Heimreise. Die ohnehin starke Offensive der Giants erweist sich in heimischen Gefilden als besonders effektiv. Durchschnittlich 91 erzielten Punkten stehen 82 kassierten Punkten gegenüber. Dass es nicht unmöglich ist, dort zu bestehen, hat nicht nur Jena gezeigt. So waren die Gladiators aus Trier (99:98), die Artland Dragons (92:89) und Phoenix Hagen (80:76) jeweils nah dran an einem Sieg.
Die Academics hatten jedoch wenig zu lachen. Am dritten Spieltag setzte es eine 93:81 Schlappe, bei der man nie so wirklich das Gefühl hatte, dass man dem Gastgeber gefährlich werden könnte. Retrospektiv würde Coach Frenki das Spiel als richtungsweisend einstufen. Zu eklatant waren die offenbarten Schwächen im Teamplay, zu sehr wurde das eins gegen eins gesucht. Soll es zu einem Sieg am Samstag reichen, wird dies nur im Team funktionieren. Das Gute ist: dieses Mal wissen es die Spieler schon vorher!