Damit hatten die wenigsten gerechnet. Die MLP Academics Heidelberg gewinnen ihren Erstligaauftakt beim MBC in Weißenfels. Mit 74:85 gelingt die erste Überraschung der Saison gleich an Spieltag eins bei den favorisierten Gastgebern aus Sachsen-Anhalt. Fünf Spieler punkten zweistellig und ein ProA Trio lässt aufhorchen.
Ohne den nachwievor verletzten Osasumwen Osaghae verzichtete Coach Frenki in der Starting Five komplett auf einen nominellen Center. Die Marschrichtung war somit klar: schnell in der Offensive und aggressiv in der Defensive sollte agiert werden. Überraschend war zudem, dass Niki Würzner in die Startformation rückte. Eine Belohnung für die guten Trainingsleistungen in der Preseason. Ihm war es auch vorbehalten, nach schönem Anspiel von Shy Ely die ersten Heidelberger Punkte in der ersten Bundesliga nach 36 Jahren zu erzielen. Letzterer markierte auch im folgenden Angriff die 4:3 Führung.
Eine Stärke, die die Gastgeber schon in der Preseason auszeichnete, war die Treffsicherheit von jenseits der Dreierlinie. Jakub Garbacz schien den Beweis nicht schuldig sein zu wollen und erzielte die ersten sechs Punkte der Wölfe durch zwei erfolgreiche Dreier in Serie. Aber auch die Gäste aus der Kurpfalz fanden zu Beginn ihren Rhythmus. Interessant: bis zur 9:14 Führung (6. Minute) und der ersten Timeout durch Gästetrainer Jovovic gingen alle Punkte auf das Konto des Vorjahrestrios Ely, Würzner und Geist.
Dass auch die Neuzugänge wissen, wo der Korb steht, bewies Max Ugrai durch fünf Punkte in Serie. War man zuletzt eher schlecht als recht in die Partien gestartet, so zeichnete sich heute ein komplett anderes Bild ab. Nach gut sieben gespielten Minuten schraubte Ely den Vorsprung auf 11:21. Der MBC schien nun wachgerüttelt. Angepeitscht durch die lautstarke Unterstützung ihrer Fans arbeiteten sie sich Stück für Stück ran. Der komfortabel wirkende Vorsprung war im Nu dahin. Nach einem 8:0 Lauf der Wölfe bat Coach Frenki seinerseits erstmals zum Gespräch.
Die Auszeit konnte den in Fahrt gekommenen MBC nicht wirklich bremsen, denn auch Kapitän Sergio Kerusch traf seinen ersten Dreierversuch und sorgte kurz vor Ablauf eines intensiven ersten Viertels für die Führung seiner Farben. Zwei Punkte von Brekkott Chapman bedeuteten dennoch die Viertelführung eines Viertels, in welchem die Gastgeber zwei Drittel ihrer Dreipunktwürfe versenkten.
Das zweite Viertel begann auf einem ähnlich intensiven und von Geschwindigkeit geprägten Level wie das erste. Als Rückkehrer Kelvin Martin per Dunk und anschließendem Layup seine ersten Punkte erzielte, hatten sich bereits sieben Heidelberger Akteure auf dem Scoreboard eingetragen. Er war mit dafür verantwortlich, dass sich die Academics beim Stand von 26:34 wieder ein kleines Polster herausspielen konnte, welches auch hätte zweistellig sein können. Leider lies Chapman gleich beide Freiwürfe liegen, während Behnam Yakhchali im Gegenzug eiskalt einen Dreier netzte.
Nervenstark in einer brenzligen Phase zeigte sich Würzner, der vier Freiwürfe in Serie verwerten und somit die Gastgeber zunächst auf Distanz halten konnte. Ein wenig mehr Fortune im Abschluss und vor allem eine ruhigere Hand an der Freiwurflinie hätten wohl eine zweistellige Führung bedeutet. Leider ließen die Academics jedoch einige leichte Abschlüsse liegen, weshalb der MBC den Vierpunkte-Rückstand zur Halbzeit wohl dankend annahm.
Aus der Kuriositätenecke: der MBC traf aus der Distanz hochprozentiger als aus dem Zweipunktbereich. 21 Punkte resultierten aus Würfen von Downtown. Kurios zudem, dass die drei Topscorer der Heidelberger auch in der vergangenen Saison dort hätten auftauchen können. Ely 10, Würzner 8 und Geist 7 Punkte.
Die richtigen Worte schien Jovivic in der Halbzeitpause gefunden haben. Die Wölfe wirkten in der Offensive nun wesentlich entschlossener, ihr Glück auch in Korbnähe zu versuchen. Mit Erfolg. Es waren noch nicht alle Zuschauer zurück auf ihren Sitzen, da besorgte Coffey, jedoch erneut per Dreier die Führung für die Hausherren. Doch auch die Kurpfälzer erwachten langsam wieder und kamen durch Ballgewinne aus einer aggressiven Verteidigung heraus zu leichten Punkten.
Agierte Brekkott Chapman in der ersten Halbzeit häufig noch etwas unglücklich, so schien ihm die Pause gut getan zu haben. Bis zu seiner Auswechslung beim Stand von 53:60 (7. Minute) markierte der Neuling im Dress der Academics acht Punkte in teilweise spektakulärer Art und Weise. Die verdiente und nötige Verschnaufpause wusste leider der Gegner für sich zu nutzen, der nun vor allem in Korbnähe ein ums andere Mal zu Korberfolgen kam. Das Polster für das letzte Viertel schrumpfte folgerichtig auf einen Punkt.
Die Intensität auf dem Parkett übertrug sich nach und nach auf die Stimmung in der Stadthalle Weißenfels. Die Entscheidungen der Schiedsrichter, vor allem die gegen die Heimmannschaft, wurden nun zunehmend lauter quittiert. Dem Druck von den Rängen konnten die Heidelberger durch Kampfgeist und Willen in der Verteidigung vorerst standhalten. Offensiv gelang jedoch weniger, weshalb es nicht gelang sich weiter abzusetzen. Die Punkte resultierten zunehmend aus Schnellangriffen und Fehlern der Wölfe.
Man konnte die Sorgenfalten auf Frenki’s Stirn sehen, als ausgerechnet der bis dahin stark aufspielende Niki Würzner sein viertes Foul abholte. Fünf Minuten waren hier noch zu spielen. Doch einer wollte heute so gar nicht nachlassen. Chapman attackierte den gegnerischen Korb ein ums andere Mal und setzte auch defensive Highlights. Seine Energie und Entschlossenheit schien seinen Mitspielern in Abwesenheit von Würzner mehr Selbstvertrauen zu geben. Lowery zog entschlossen zum Korb und bediente den durchlaufenden Martin, der per Korbleger gut zwei Minuten vor Ende auf 72:76 stellte. Auszeit MBC.
Erneut hatten die Academics die bessere Antwort parat und erhöhten 70 Sekunden später zum zwischnzeitlichen 72:78. Erneute Auszeit durch die Gastgeber. Die Uhr im Wolfsbau zeigte es an: noch exakt 60 Sekunden zu spielen. Für Frenkis Geschmack müssen die folgende zwei Punkte der Ostdeutschen zu schnell gekommen sein. Keine zehn Sekunden konnten von der Uhr genommen werden. Doch Lowery zeigte sich im folgenden Angriff abgezockt, zog das Foul und versenkte beide Freiwürfe. Der Rest ist schnell erzählt. Nichts war davon zu merken, dass es das erste BBL Spiel für die Heidelberger seit 36 Jahren ist. Zu abgebrüht wirkten die Fünf auf dem Feld und schaukelten das Spiel mit einem wohl zu deutlichen 74:85 nach Hause.
Die Überraschung gleich am ersten Spieltag geglückt!
Die Punkte: Chapman (17), Ely (16), Geist (14), Lowery (13), Würzner (11), Martin (9)
Foto: Thomas Disqué