Es war mehr drin für die MLP Academics Heidelberg beim Playoff-Kandidaten BG Göttingen. Die Kurpfälzer fingen verheißungsvoll an, doch gerade im zweiten und dritten Viertel gab es jeweils einen signifikanten Bruch, der ihnen letztlich die Möglichkeit raubte, im Schlussspurt noch die Wende zu schaffen. Die Göttinger Veilchen gewannen in der easyCredit Basketball Bundesliga verdient mit 87:81 (17:24, 24:14, 24:18, 22:25) und katapultierten sich durch den elften Saisonerfolg auf Rang fünf in der Tabelle. Während sich die BG vor 3.700 Zuschauern (ausverkauft) in der historischen Lokhalle peu à peu steigerte, leisteten sich die MLP Academics zu viele Schwankungen. Entscheidender Faktor: Die „Big Men“ der Niedersachsen bekamen die Heidelberger nie in den Griff und so durfte bei der Rückkehr in die „Lokhölle“ die große Harper-Kamp-Show frenetisch gefeiert werden.
„Sie haben zu viele Offensivrebounds geholt und waren am Brett dominant“, sagte Academics-Headcoach Joonas Iisalo, dem die Enttäuschung beim TV-Interview mit Kommentator und Ex-Trainer Stefan Koch anzumerken war.
Nachverpflichtung Bennet Hundt übernahm für Washington zunächst die Regie in der Starting Five – und es lief bei den Gästen anfangs sehr ordentlich. Die Academics konnten sich am Ende des ersten Spielabschnitts sogar absetzen (24:17), weil sie entschlossener, präsenter und aggressiver auftraten. Die Lilafarbenen taten sich spürbar schwer. Das verletzungsbedingte Fehlen ihres Topscorers Mark Smith, aber auch das ungewohnte Ambiente nach über sechsjähriger Unterbrechung im Event-Tempel erwiesen sich eher als Hypothek. Freilich hatten die Schützlinge des belgischen Cheftrainers Roel Moors (44) einen, der dem Heimteam Stimulanz und Sicherheit gab. Der 34-jährige Center und Kapitän Harper Kamp, seit Sommer 2021 in Besitz eines deutschen Passes, präsentierte sich in Topverfassung und konnte mit insgesamt 29 Punkten eine persönliche Bestleistung – in seinem 150. Spiel für die Hausherren – in der BBL aufstellen.
Dabei kontrollierten die Heidelberger bis zum 35:26 (16.) die umkämpfte Partie. Man hatte Reboundhoheit, agierte taktisch diszipliniert und geschickt, erreichte bis dahin auch ein höheres Energielevel. Moors‘ lautstarke Warnungen („Wir müssen Defense spielen, wir müssen Defense spielen“) zeigte kurz vor der Pause Wirkung. Göttingen malochte sich buchstäblich in die Partie, Heidelberg ließ sich beeindrucken und kassierte einen heftigen 3:15-Lauf bis zum 41:38 (Halbzeit) für die BGler.
Die Mentalität der Veilchen sollte in der Folgezeit den Unterschied ausmachen. Zur Freude der einheimischen Fans spielten gerade die langen Kerle groß auf. Neben Linkshänder Kamp setzte sich nun auch Rayshaun Hammonds dank seiner Physis in Szene – beide „Bigs“ bereiteten den Academics zunehmend Kopfzerbrechen. Der Zwischenstand von 63:50 (29.) für Göttingen ließ nichts Gutes erahnen, wenngleich sich das Team von Joonas Iisalo nochmals bis auf 70:66 (34.) heranpirschte.
Der giftig-gallige Playmaker Geno Crandall behielt sodann in kritischen Momenten die Zügel fest in der Hand. Mit 13 Punkten, neun Assists und neun Rebounds war er neben Göttingens Publikumsliebling Harper Kamp der effektivste Akteur und brachte das 87:81 relativ sicher nach Hause. „Heute hat es jede Menge Spaß gemacht“, sagte Kamp als Held des Abends strahlend, „wir kamen gegen Heidelberg in einen Flow. Unsere Mannschaft will unbedingt die Playoffs erreichen.“
Bei den MLP Academics scorte Washington (25 Punkte, fünf Assists) zuverlässig, die meiste offensive Unterstützung erhielt der Amerikaner von Max Ugrai, Eric Coleman und Vincent Kesteloot.
den Tabellen-14., der flott mit dem Bus zurückfuhr, heißt es, gut zu regenerieren, denn bereits 45 Stunden nach der Schlusssirene in Göttingen erfolgt der Sprungball am Samstagabend (18 Uhr, live ab 17.45 Uhr bei MagentaSport) in der schmucken Ratiopharm-Arena. Bei den Ulmer „Spatzen“, die im bayrischen Neu-Ulm residieren, hängen die Körbe hoch. In der EuroCup-Partie gegen die Katalanen von Joventut Badalona verloren die Ulmer am Dienstag mit 76:82. Derweil erhitzt vor allem ein Rassismus-Vorfall einer Zuschauerin gegen den brasilianischen Profi Yago dos Santos die Gemüter des BBL-Klubs. Der Ulmer Playmaker war, wie aus Videosequenzen deutlich hervorgeht, mehrfach von ihr als „Affe“ beschimpft worden. Dafür erhielt der formidable Dribbler weltweite Solidarität aus der Sportlerszene.
Für die Münsterstädter steht gegen den baden-württembergischen Kontrahenten eine ganze Menge auf dem Spiel. Das Team von Anton Gavel rangiert derzeit mit einer ausgeglichenen Bilanz (neun Siege, neu Niederlagen) auf Platz neun. Für die ambitionierten und finanzstarken Ulmer sind Mittelfeldsphären definitiv zu wenig. Also müssen sich die MLP Academics mental auf einen heißen Tanz einstellen. Der Pokalsieger von 1996 und dreimalige deutsche Vize-Meister (1998, 2012, 2016) hat in puncto Playoff-Teilnahme nichts abzugeben. Ein Geschenk für Yago dos Santos scheint vielmehr Ehrensache.
Stimmen zum Spiel:
„Göttingen hat bisher in der Saison außergewöhnlichen Basketball und heute auch ein sehr gutes Spiel gezeigt. Auch die Atmosphäre hier war sehr schön. Wir sind sehr gut ins Spiel gekommen und haben die Dinge gemacht, über die wir gesprochen haben, die uns einen Auswärtssieg bringen können: Offensiv-Rebounds, Punkte in der Zone, offene Würfe kreieren. Ab dem zweiten Viertel hat Göttingen dann das Spiel kontrolliert. Sie haben uns unter dem Korb dominiert. Wir haben überhaupt keinen guten Job beim Rebound gemacht. Dann waren ihre Guards mit dem Killerinstinkt da, und wir haben es nicht geschafft, den wegzunehmen. Wir haben nicht viel Zeit, um zu regenerieren. Wir spielen am Samstag in Ulm – darauf müssen wir uns jetzt fokussieren.“ – Joonas Iisalo, Headcoach der MLP Academics
„Ich bin sehr zufrieden mit dem Sieg und unserem Spielniveau. Es war ein schwieriges erstes Viertel. Offensiv waren wir ein bisschen im Spiel, aber defensiv hatten wir keine Kontrolle und haben zu einfache Punkte unter den Körben zugelassen. Die Fans haben uns dann geholfen, ins Spiel zu kommen. Es war eine sehr, sehr, sehr gute Stimmung. Es hat Spaß gemacht, hier zu spielen, aber auch zu coachen. In den letzten drei Vierteln habe ich sehr guten Basketball von meinem Team gesehen. Wir haben eine gute Reaktion auf das Bamberg-Spiel gezeigt, in dem wir viel zu viele Ballverluste hatten. Heute habe ich eine unglaublich gute Ballbewegung und nur sieben Ballverluste gesehen. Alles, was man machen muss, haben wir in den letzten drei Vierteln gut gemacht.“ – Roel Moors, Headcoach der BG Göttingen
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Eric Washington 25 (3 Dreier), Max Ugrai 14 (3), Tim Coleman 13 (2), Vincent Kesteloot 10, Elias Lasisi 5 (1), Bryan Griffin 4, Lukas Herzog 3 (1), Shy Ely 3, Akeem Vargas 2, Bennet Hundt 2, Felix Edwardsson (DNP).
BG Göttingen: Harper Kamp 29 (1), Rayshaun Hammonds 17 (1), Geno Crandall 13 (1), Till Pape 9, Harald Frey 8, Max Besselink 6 (2), Javon Bess 3 (1), Mathis Mönninghoff 1, Marios Giotis 1, Jesse Ani (DNP), Max Wüllner (DNP).
Text: Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
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