Man weiß gar nicht, wo man anfangen und wo aufhören soll. Seit sich die MLP Academics Heidelberg in der easyCredit Basketball Bundesliga bewegen, erwischte die Mannschaft nicht annähernd einen solch rabenschwarzen Tag wie am Samstagabend beim 54:87 (9:26, 14:15, 19:27, 12:19) gegen die Würzburg Baskets. So gut wie nichts lief zusammen. Die sechste Niederlage im siebten Saisonspiel stand relativ früh fest – die große allgemeine Verunsicherung bei den Iisalo-Schützlingen war in vielen, vielen Szenen zu spüren. Und so lässt sich eben nach den drei Heimniederlagen in Serie, zumal gegen Konkurrenten wie Hamburg, Bamberg und Würzburg, mit denen sich unsere Heidelberger Korbjäger plusminus auf einem Level wähnten, nichts anderes wertneutral feststellen: Diese Mannschaft hat einen sportlichen Tiefpunkt erreicht – zugleich den schmerzhaftesten Moment einer „sensationellen Reise“ in den letzten zweieinhalb Jahren, wie es Hallensprecher Kevin Gerwin einfühlsam und passend ausdrückte.
Das Beste an diesem aus Academics-Sicht vermaledeiten Basketball-Spiel waren die Augenzeugen in der Halle. 3.571 Zuschauer im SNP dome zelebrierten jede gelungene Aktion der Profis, honorierten selbst kleine 7:0- oder 6:1-Läufe der Gastgeber, betätigten eifrig die Klatschpappen und ließen dieses sich selbst suchende Kollektiv auf dem Parkett zu keinem Zeitpunkt hängen. Ja, viele der Anhänger litten und unterstützten dieses Team, sogar auch emotional nach dem Abpfiff, nachdem die 54:87-Heimklatsche amtlich gewesen war. Die Organisation der MLP Academics schätzt sich glücklich über diese Form der Rückenstärkung.
„Das ist natürlich so nicht zu akzeptieren. Momentan sieht es einfach so aus, als reichten unsere Fähigkeiten nicht, um jegliches Selbstvertrauen aufzubauen“, sagte Headcoach Joonas Iisalo über die bis dato schwächste Performance. Das 73:88 gegen Hamburg, das 90:109 gegen Bamberg und nunmehr ein noch deutlicheres 54:87 dokumentieren eine „Tour der Leiden“, die für Verantwortliche, Trainer, Spieler und Publikum nur schwerlichst zu verdauen ist. Es ist zu einem frühen Zeitpunkt der regulären Saison Abstiegskampf pur geworden, da beißt die Maus keinen Faden ab.
An zwei „Schnipseln“ aus diesem Spielfilm lässt sich die vertrackte Situation, in die unsere MLP Academics geraten sind, am ehesten nachvollziehen. Zum einen an einem haarsträubenden Missverständnis, das Jeffrey Carroll und Mike McGuirl in der 16. Minute unterlief. Bei eigenem Einwurf unter dem eigenen Korb landete der Ball bei Otis Livingston II, der direkt vollenden und on top noch ein Foul ziehen konnte. Zum anderen am Ende des dritten Viertels, als die Mainfranken ihr ohnehin komfortables Polster durch einen Zweier von Livingston II und einen der insgesamt acht Dreier des Ex-Frankfurters Isaiah Washington (24 Punkte) auf das niederschmetternde Zwischenresultat von 42:68 (3. Viertel) ausbauen konnten. Fünf kassierte Punkte binnen nicht mal drei Sekunden (!) sollten dabei die Wirkungskraft eines brutalen Genickschlags entfalten.
Von Spielbeginn an gelang den Heidelbergern sehr wenig. Neun Zähler nach dem ersten Viertel, deren 23 zur Halbzeitpause – noch nie auf Erstliga-Niveau galt es in Summe so viele Schnitzer aus der Serie Pleiten, Pech und Pannen wegzustecken. Die Würzburg Baskets, zuletzt durchaus angezählt und wankelmütig, nutzten die fatalen Schwächen der Blauen gnadenlos aus. Vor allem von der Physis her hatten sie gestern ein anderes Rüstzeug zu bieten, so dass bereits nach zwölf Minuten ein unheilvolles 11:31 von den Chronisten notiert werden musste. Und bis auf zwei Mini-Hoffnungsschimmer (29:42, 22. und 42:56, 28.) im dritten Abschnitt stellten sich eben keine signifikanten Verbesserungen in der dramaturgischen Abfolge ein.
Wieder mit Kämpfernatur Vincent Kesteloot, aber ohne den am Knie verletzten Paul Zipser setzte sich die sportliche Misere fort. Es liegt nicht an der Mentalität der Mannschaft, sondern hauptsächlich an den kognitiven Schwierigkeiten, mit denen fast jeder für sich und erschwerend im nicht funktionierenden Gefüge derzeit zu kämpfen hat. Unsere Jungs haben Stand Mitte November keinen wirklichen Leader, den sie so dringend zur Stabilisierung benötigen würden.
Das geradezu Groteske dabei: Jeder aus dem diesjährigen Kader hat immer mal wieder punktuell und zweifelsfrei bewiesen, dass er es wesentlich besser kann und grundsätzlich über Qualitäten verfügt, die in der BBL erforderlich sind. Womit wir bei einem übergeordneten Thema im Profi- und Teamsport sind: Die Puzzleteile müssen stets zwingend ineinanderpassen, die Details richtig und konsequent gemacht werden, die statistischen Quoten und Parameter adäquat ausfallen. Am markantesten zeigte sich der Unterschied von der Dreierlinie: 4/30 Würfe gleich 13 Prozent der Heidelberger stehen 15/29 gleich 52 Prozent der Würzburger gegenüber. Rein rechnerisch sind das allein 33 Punkte mehr aus der 6,75-Meter-Distanz – was wiederum exakt dem finalen 54:87 entspricht. Diese Diskrepanz spricht für sich.
Freilich wäre es unangemessen, die sportliche Malaise allein auf das nervige „Endlosthema Dreier“ zu kaprizieren. Nein, es sind in diesen harten, unerbittlichen Zeiten für die MLP Academics mindestens genauso die Turnover (19/10) sowie die zahlreichen Missgeschicke und Missverständnisse, die nicht blaupausenmäßig auf einem Spielberichtsbogen auftauchen.
Gegen Würzburg war es wirklich wie verhext. Die Mannschaft bemühte sich redlich, doch das Pech klebte buchstäblich an den Händen. Das wiederum ist vornehmlich eine mentale Dimension und Problematik, was die Aufgabe in den nächsten Wochen nicht leichter macht. Bis zum nächsten Match am Montagabend bei den HAKRO Merlins Crailsheim (20. November, 20 Uhr) gilt es im Kellerduell auf Wettkampfhärte zu kommen. Die berüchtigte „Stierkampfarena“ von Hohenlohe wird zur Richtungsmessung beider kriselnder Klubs aus Baden-Württemberg. Crailsheim ging am Wochenende nämlich mit 58:96 beim erneut imponierend auftretenden Wiederaufsteiger RASTA Vechta unter.
In welcher Konstellation auch immer, dieses auf tragische Art und Weise verunsicherte Team muss sobald als nur möglich ein verlässliches Navigationssystem finden und hat jetzt erst recht – und vielleicht mehr denn jemals zuvor seit dem gefeierten Aufstieg 2021 – Support verdient. Das Thema Erwartungshorizont hatte Manager Alex Vogel in den letzten Tagen mehrfach hervorgehoben, das Thema Klassenerhalt ebenfalls. Darum geht es, um nichts anderes in einem Moment bleierner Schwere und Traurigkeit.
Will heißen: Es muss im erbarmungslosen Abstiegskampf ein Anfang, ein Hebel, die entscheidende Veränderung hin zum Guten gefunden werden. Vom Schweizer Schriftsteller Max Frisch stammt folgender kluge Satz: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Noch bleiben 27 BBL-Spieltage, um einen andauernden Schlingerkurs oder gar ein Worst-Case-Szenario gemeinschaftlich, resilient und beherzt abzuwenden. Es ist möglich.
„Wenn man 4/30 Dreier trifft, nicht in die Zone kommt, kaum Freiwürfe wirft, mehr Ballverluste als Assists hat, dann wird es ein sehr schwieriger Abend. Wir haben heute offensiv keine guten Aktionen kreiert. Es war uns nicht möglich, in die Zone zu kommen, obwohl wir uns das vorgenommen haben. So hast du am Ende schwierige Würfe und keinen Vorteil in der Offensive. Im dritten Viertel hatten wir einen kleinen Run, haben dann aber einen 0:17-Lauf kassiert. Das ist nicht akzeptabel. Mental setzen uns gerade kleine Rückschläge und Fehler sehr weit zurück, es gelingt uns nicht gegnerische Läufe kleinzuhalten. Selbstvertrauen hat auch damit zu tun, dass man weiß, dass man auf diesem Level gut genug ist. Wir sind aktuell nicht in der Lage, auf diesem Level zu performen, es ist schwierig darauf Selbstvertrauen aufzubauen. Das müssen wir beheben.“ – Joonas Iisalo, Headcoach der MLP Academics Heidelberg.
„Ich war sehr verärgert, nachdem wir am letzten Wochenende 36 Minuten geführt und dann das Heimspiel gegen Chemnitz noch verloren hatten. Wir hatten unter der Woche einige Verletzungsprobleme, aber wir haben hart gearbeitet und ich habe die Spieler gepuscht, um über ihr Limit zu gehen. Ich bin sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie wir das Spiel heute angegangen sind. Unsere Verteidigung hat mir gefallen. Wir sind als Team aufgetreten, jeder hat seinen Beitrag geleistet. Es war ein wichtiges Spiel für mich, mit drei Siegen wird es etwas einfacher für uns. Ich hoffe, dass wir gesund bleiben, denn mit unserem kleinen Kader ist jede Verletzung ein Problem.“ – Sasa Filipovski, Headcoach der Würzburg Baskets.
„Ich denke langsam entwickeln sich mentale Schwierigkeiten bei uns. Das ist dennoch keine Entschuldigung für unsere Leistung in den letzten Wochen. Wir wussten, dass sie ein gutes Eins-gegen-Eins-Team sind, aber sie punkten gegen uns trotzdem zu einfach. Wenn man dann seine Würfe nicht trifft, wird es sehr schwer. Es gibt keine allgemeine Lösung gegen diese Probleme, wir müssen einfach weiterarbeiten. Ich weiß, dass es irgendwann dieses eine Spiel geben wird, in dem es Klick macht. Darauf müssen wir dann aufbauen.“ – Vincent Kesteloot, Power Forward der MLP Academics.
„Das war sehr enttäuschend heute. Im dritten Heimspiel in Folge wurden wir deutlich geschlagen. Wir wissen den Support unserer Fans sehr zu schätzen. Es war sehr besonders, was die Fans in den letzten Heimspielen gezeigt haben. Umso enttäuschender ist es, dass wir dann so eine Vorstellung abliefern. Wir müssen Charakter zeigen und in den nächsten Spielen mit mehr Biss und mehr Intensität spielen und dürfen nicht von Anfang an in Rückstand geraten. In den letzten Spielen geben wir den Gegnern mit einfachen Punkten zu viel Selbstbewusstsein und sie fühlen sich in unserer Halle zu wohl, das dürfen wir nicht zulassen.“ – Bennet Hundt, Guard der MLP Academics.
„Wir verlieren nie die Hoffnung. Es gibt immer ein weiteres Spiel und immer eine weitere Möglichkeit, sich zu verbessern. Das Positive aktuell ist: Es kann nur besser werden. Schlechter als Verlieren wird es nicht. Wir müssen in den kommenden Off-Days unseren Kopf frei bekommen und dann wird es irgendwann Klick machen. Gerade versucht jeder sein eigenes Spiel zu finden und herauszufinden, wie er dem Team helfen kann. Wir verstehen uns alle gut miteinander, unternehmen abseits von Training und Spiel einiges zusammen, das hilft sehr.“ – Tim Coleman, Small Forward der MLP Academics.
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Vincent Kesteloot 14, Akeem Vargas 10 (2 Dreier), Jeffrey Carroll 8 (1), Isaiah Whaley 6, Tim Coleman 5 (1), Mike McGuirl 4, Marcel Keßen 4, Elias Lasisi 3, Bennet Hundt, Niklas Würzner, Samuel Schally (DNP).
Würzburg Baskets: Isaiah Washington 24 (8), Javon Bess 18 (4), Otis Livingston II 17, Owen Klassen 7, Max Ugrai 7 (1), Darius Perry 7 (1), Zachary Seljaas 5 (1), Collin Welp 1, Felix Hoffmann 1, Elijah Ndi.
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien