Nach dem Abpfiff in der Arena Hohenlohe machte sich im Team der MLP Academics Heidelberg vor allem Erleichterung breit. Die Profis hüpften auf dem Parkett vor lauter Freude, Elias Lasisi feierte seinen formidablen Teamkollegen Jeffrey Carroll und Headcoach Joonas Iisalo bedankte sich ausdrücklich bei Tim Coleman für ein spektakuläres Finish. Durch das 93:86 (22:26, 24:18, 19:22, 28:20) landeten unsere Jungs vom Neckar bei den HAKRO Merlins Crailsheim einen enorm wichtigen Sieg, der sie zum Abschluss des 8. Spieltages in der easyCredit Basketball Bundesliga etwas durchatmen lässt und schlagartig auf den 15. Tabellenplatz hievt. Vor 2.409 wie gewohnt lautstarken Zuschauern im „Hexenkessel“ von Ilshofen zeigten die MLP Academics – nach vielen Hochs und Tiefs auf beiden Seiten – die besseren Nerven und nahmen die kostbaren Punkte verdientermaßen mit.
Erwartungsgemäß wurde diese Partie vom Sprungball weg zu einem knallharten Fight in der sogenannten „Stierkampfarena“. Dazu stand für die baden-württembergischen Rivalen nach schwierigen Wochen schlichtweg sehr, sehr viel auf dem Spiel, zumal es hüben wie drüben in der sportlichen Krisensituation zu personellen Konsequenzen geführt hatte. Headcoach Jussi Laakso (47) feierte am Montagabend sein Debüt bei den Merlins. Der Impuls durch den Trainerwechsel von Nikola Markovic auf Laakso sollte spürbar sein. Freilich hatte der Finne seit Donnerstag wenig Zeit, um Entscheidendes im System der Hausherren zu ändern. „Verhalten und Energie waren heute okay“, sagte hinterher der erfahrene Franzose Léo Westermann, „wir müssen weitermachen, unseren Job erledigen und uns auf uns selbst konzentrieren. Die Heidelberger haben heute exzellent getroffen, das muss man ihnen lassen.“
Wohl wahr: In letzter Zeit schienen die Diskussionen um Trefferquoten und Defensivschwächen bei den Universitätsstädtern nicht abebben zu wollen. Das 54:87 gegen die Würzburg Baskets zuletzt im SNP dome war die schwächste und fahrigste Vorstellung der MLP Academics seit dem Aufstieg 2021. Gestern offenbarten sie ohne Mike McGuirl (inzwischen bei Hapoel Haifa in Israel unter Vertrag) ein komplett anderes Gesicht. Wenngleich einiges im ersten Viertel noch schief ging, man spürte bei allen zehn Akteuren den unbedingten Willen, für die prompte Rehabilitierung im richtungsweisenden Kellerduell zu sorgen. Lediglich einmal (23:16, 8.) lagen die Einheimischen bedrohlich vorne, weil Heidelberg die Pick-and-Roll-Szenen außerhalb des Perimeters und mehrere Eins-gegen-eins-Situationen am Brett nicht verteidigt bekam und sich darüber hinaus ziemlich unglückliche Ballverluste leistete. Trotzdem lagen die Gäste hauchdünn mit 46:44 beim Gang in die Kabine vorne.
Dies vermittelte Hoffnung, zumal Jeffrey Carroll im Prestigevergleich mit seinem Ex-Trainer Jussi Laakso, mit dem er im Dress der Helsinki Seagulls letzte Saison Meister geworden war, offensiv einen Sahnetag erwischte. Carroll markierte 28 Punkte, bei einer Trefferquote von 66,7 Prozent (10/15) aus dem Feld, darunter 4/7 Dreiern. Der Amerikaner trat diesmal wie eine Art von „Lebensversicherung“ der Iisalo-Schützlinge in den Fokus, bestens unterstützt von Kämpfernatur Vincent Kesteloot (14) und von Isaiah Whaley, der mit 13 Zählern und 14 Rebounds ein eindrucksvolles Double-Double aufwies und statistisch ähnlich überragend und effizient wie Carroll agierte.
Besonders hervorzuheben: Die Mannschaft wurde mit zunehmender Spielzeit immer stärker, widerstandsfähiger und selbstbewusster. Beim 48:57 (25.) hatten sich die Academics erstmals abgesetzt, aber sie belohnten sich nicht, sondern schenkten erneut Bälle fahrlässig her und ließen sich in der Endphase des dritten Viertels zwei Dreier von Léo Westermann und einen von James Murray-Boyles einschenken, so dass die Merlins Lunte rochen und das Momentum über die Zwischenstände 66:63, 69:65 und 75:70 (35.) für sich nutzten.
In dieser Phase explodierte buchstäblich Tim Coleman. Dem bis dahin ohne Fortüne auftretenden Linkshänder gelang in der 34. Minute sein allererster Korberfolg, nach einem der zahlreichen vorzüglichen Pässe von Playmaker Bennet Hundt (13 Assists!). Ein immens wichtiger Dreier des wiedergenesenen Paul Zipser beim erwähnten 75:70 sowie zwei anschließende Dreier von Coleman zum 75:79 (36.) binnen 66 Sekunden drehten alles im Handumdrehen. Ein Thriller war’s nun – die Gastgeber wehrten sich mit dem Mut der Verzweiflung. Der ehemalige Crailsheimer Coleman (17 Punkte in sechs Minuten!) blieb unterdessen eiskalt, scorte im Schlussviertel quasi nach Belieben und zog den Merlins den Stecker, die dank seines unglaublichen Laufes und seiner wilden Entschlossenheit nichts mehr dagegenzusetzen hatten. Beim Dunking von Elias Lasisi zum 81:89 und spätestens nach zwei verwandelten Freiwürfen von Coleman zum 84:92 exakt 41 Sekunden vor der Schlusssirene war das brisante Landesduell entschieden. Die „Zauberer“ hatten beim 86:93 endgültig „ausgezaubert“! Während sie somit unverändert die „rote Laterne“ in der BBL tragen, schoben sich unsere Academics sogar vor die Göttinger „Veilchen“ und Aufsteiger Tigers Tübingen auf Rang 15 im Tableau.
Wie ist diese geschlossene Teamvorstellung einzuordnen? Der zweite Erfolg in fremden Hallen ist nach dem 94:84 in Tübingen Balsam auf die erlittenen Wunden und zugleich die beste Medizin gegen die eigenen Selbstzweifel. Alle Profis stellten sich gestern der Verantwortung und schafften es gemeinsam, aus der lähmenden Negativspirale den Ausweg zu finden. Bester Beleg dafür: Mit Carroll, Coleman, Kesteloot, Whaley und Lasisi punkteten alle fünf Importspieler zweistellig.
Nun gilt es, darauf aufzubauen und die eigene Leistung als Team peu à peu zu stabilisieren. Dies wird absolut nötig sein, denn am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) müssen Vargas und Co. zu den runderneuerten Telekom Baskets Bonn. Bis Weihnachten warten ferner die MHP RIESEN Ludwigsburg, die Niners Chemnitz und der deutsche Meister ratiopharm Ulm auf die langen Kerle, die möglichst gegen Ludwigsburg am 2. Dezember (Samstag, 20 Uhr) im SNP dome ihre bisherige Heimmisere mit fünf Niederlagen beenden wollen. Allesamt sind die nächsten Kontrahenten harte Brocken. Allerdings lässt sich dieses herausfordernde Programm mit dem Mutmacher von Crailsheim anders angehen – und bewältigen. Im Augenblick zählt vornehmlich dieser wertvolle Sieg – sowie das Gefühl der puren Erleichterung.
„Zunächst möchte ich meiner eigenen Mannschaft gratulieren. Sie haben heute einigen Widrigkeiten getrotzt, ihren Fokus beibehalten und mit unfassbarer Energie gespielt. Wir hatten einige Rückschläge in der bisherigen Saison, trotzdem haben wir unseren Kopf und die Stimmung hochgehalten. Heute haben wir einfach nicht aufgehört zu kämpfen. Fehler passieren, aber man muss diese dann im nächsten Play wiedergutmachen, das haben wir heute geschafft. Darüber freue ich mich am meisten.“ – Joonas Iisalo, Headcoach der MLP Academics Heidelberg.
„Zuallererst gratuliere ich Heidelberg für den Sieg. Es war ein wichtiges Spiel für beide Teams und leider konnten wir es heute nicht für uns entscheiden. Wir haben versucht, etwas aktiver in der Defense zu spielen und konnten eine Verbesserung sehen, jedoch haben wir noch nicht unser volles Potenzial erreicht. Wir hatten nur fünf Tage zusammen trainiert und da kann man noch nicht zu viel erwarten. Wir werden weiter daran arbeiten und meine Jungs haben für 40 Minuten gekämpft. Heidelberg hat ein paar schwere Würfe verwandelt, die uns am Ende den Sieg gekostet haben. So ist das im Basketball. Ich bedanke mich bei unseren großartigen Fans. Sie sind so wichtig für uns und haben uns über das gesamte Spiel unterstützt.“ – Jussi Laakso, Headcoach der HAKRO Merlins Crailsheim.
„Wir sind sehr, sehr erleichtert. Wir wussten, dass es heute schwierig wird. Da Crailsheim den Trainer gewechselt hat, wussten wir nicht so recht, was uns erwartet. Hier in Crailsheim in der Halle ist es immer schwierig zu spielen. Ich denke, wir haben eine gute Leistung heute gezeigt. Vor allem unser Energielevel als Team war vermutlich heute so gut wie noch nie in dieser Saison. Wir haben alle zusammengehalten und gekämpft, das macht mich stolz.“ – Bennet Hundt, Point Guard der MLP Academics Heidelberg.
„Im vierten Viertel bin ich durch jede Trauerphase gegangen (lacht). Ich bin einfach rausgegangen, habe Defense gespielt und bin einfach in einen Tunnel gekommen. Als der Ball fiel, habe ich darauf aufgebaut und Energie daraus gezogen. Ich denke, dass der schwierige Saisonstart uns als Team näher zusammenschweißt. Wir machen immer weiter, heute war ein guter Schritt in die richtige Richtung. Natürlich haben wir uns auch einige Fehler erlaubt, aber insgesamt hat es Klick gemacht. Wir nehmen einen Tag nach dem anderen, ein Training nach dem anderen.“ – Tim Coleman, Small Forward der MLP Academics Heidelberg.
„Unser Wille hat heute den Unterschied gemacht. Wir haben in den letzten Wochen sehr, sehr hart gearbeitet und sind immer zusammengeblieben als Team. Heute hatten wir viele wichtige Spielzüge, viele unterschiedliche Jungs waren heute da, als es darauf ankam. Der Sieg heute zeigt auch, wie mental und physisch stark wir sind. Wir hätten Ausreden finden können und uns selbst bemitleiden können, aber heute haben wir uns dafür entschieden, uns herauszukämpfen. Darauf wollen wir aufbauen, wir haben schwierige Gegner, die jetzt kommen, aber ich denke, dass der Sieg heute der richtige Start war!“ – Jeffrey Carroll, Small Forward der MLP Academics Heidelberg.
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Jeffrey Carroll 28 (4 Dreier), Tim Coleman 17 (3), Vincent Kesteloot 14 (1), Isaiah Whaley 13 (2), Elias Lasisi 10 (2), Niklas Würzner 4, Paul Zipser 4 (1), Bennet Hundt 3, Akeem Vargas, Marcel Keßen.
HAKRO Merlins Crailsheim: James Murray-Boyles 20 (2), Léo Westermann 19 (5), Galin Smith 15, Brandon Childress 11 (1), Keandre Cook 10, Maurice Stuckey 3, Elias Baggette 2, Prince Oduro 2, Luis Wulff 2, Fabian Bleck 2, René Kinzeka, Matej Zejdl (DNP).
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien
Fotos: dieLICHTBUILDER