Das, was man zuletzt im Auswärtsmatch bei den NINERS Chemnitz (69:93) weitgehend vermissen ließ, wurde am Freitagabend beim amtierenden Meister umgesetzt: Gute spielerische Ansätze, Wille, Kampf, Herz und Leidenschaft – dies alles präsentierten die MLP Academics Heidelberg im baden-württembergischen Derby bei ratiopharm Ulm. Ein akzeptables 98:89 (25:25, 29:24, 24:16, 20:24) für den haushohen Favoriten stand am Ende auf dem Scoreboard der in vorweihnachtlicher Stimmung eingepackten ratiopharm Arena von Neu-Ulm. Und wenn die Gäste aus Heidelberg nicht einen fünfminütigen Einbruch zu Beginn des dritten Viertels gehabt hätten, wären die Schwaben am 12. Spieltag der easyCredit Basketball Bundesliga noch mehr ins Schwitzen gekommen. Unsere MLP Academics verkauften sich teuer, was sich in den nächsten Wochen – hoffentlich – positiv aufs Selbstvertrauen auswirken sollte.
Die 5.538 Zuschauer in der schmucken Halle des Champions staunten jedenfalls nicht schlecht. Denn über weite Strecken bekamen sie kein klassisches David-Goliath-Duell geboten, sondern eine vom Außenseiter engagiert und resilient geführte Partie. Dass der aktuelle Tabellenzweite den Vorletzten kurz vor Heiligabend empfing, konnte man jedenfalls lange nicht erkennen. „Sie haben wahnsinnig gekämpft und nie aufgegeben“, gab es aufrichtige Anerkennung vom Ulmer Energiebündel Karim Jallow, „die Academics haben heute einfach gut gespielt.“
Ohne den kurzfristig erkrankten Headcoach Joonas Iisalo übernahmen dessen Assistent Hylke van der Zweep und Serena Benavente das Kommando auf der Bank der Kurpfälzer. Kein Neuland für das Gespann, auch in der Saison 2022/2023 war es bereits zweimal zu dieser Konstellation gekommen. Der Niederländer van der Zweep und die Amerikanerin Benavente schlüpften also mit einer gewissen Selbstverständlichkeit in diese Rolle. Ruhig, souverän und sachlich erledigten sie ihren Job.
Das Derby nahm flott Fahrt auf. Hüben Trevion Williams, drüben Vincent Kesteloot – diese beiden Protagonisten prägten das erste Viertel. Schön zu erkennen, dass Heidelbergs Neuzugang Joshia „Josh“ Gray einen klaren Aufwärtstrend verzeichnete. Sein Floater zum 25:25 (1. Viertel) im Eins-gegen-Eins mit Jallow und vor allem der spektakuläre Buzzerbeater zum Halbzeitstand von 54:49, jeweils mit dem Ertönen der Sirene, waren vom Allerfeinsten. Es ist unstrittig, dass Gray über besondere Fähigkeiten verfügt und bis dato vermisste Abgezocktheit in das Team bringt. Leider machten ihm in der zweiten Hälfte erneut Krämpfe einen Strich durch die Rechnung, so dass man ihn am Spielfeldrand im regen Austausch mit Physiotherapeut Jaro Nieminen sah. Letztendlich entschied sich der Trainerstab für Schonung, gerade auch im Hinblick auf das bevorstehende Heimspiel gegen die BG Göttingen am 27. Dezember. Hoffnung gibt, dass der Playmaker in 14:26 Minuten auf dem Parkett 12 Punkte scorte und nach „Mister Zuverlässig“ Kesteloot die besten Effizienzwerte verbuchte.
Ähnlichen Auftrieb dürfte der Mannschaft die Performance von Paul Zipser geben. Wenngleich dem Rückkehrer nicht alles gelang und er sich selbst am meisten darüber ärgerte, das USC-Eigengewächs zählte in der Münsterstadt zu den auffälligsten Akteuren. 11 Punkte, darunter zwei Dreier, 6 Rebounds und zwei Steals standen auf seiner Habenseite. Jeder freut sich mit Zipser über diese Leistungssteigerung. Kesteloot, Gray, Zipser und Elias Lasisi überzeugten bei den MLP Academics diesmal am meisten.
„Wir haben das Spiel Anfang des dritten Viertels aufgrund von Offensivrebounds und Ballverlusten verloren“, sagte Kesteloot hinterher. Wohl wahr: Nach zwei ausgeglichenen Abschnitten fielen die Gäste in ein Loch. Binnen vier Minuten kam so gut wie alles zusammen (schlechte Trefferquote, Fehler, mangelnde Physis unter den Brettern), so dass Ulm mit individueller Qualität und unnachahmlicher Kompromisslosigkeit das Ergebnis von 59:52 (22.) auf ein 75:54 (28.) hochschrauben konnte. Solche Durchhänger müssen die MLP Academics abstellen. Gelingt ihnen das, dann werden sie sich belohnen und baldmöglichst wieder rundum hilfreiche Erfolgserlebnisse im Kollektiv feiern.
Beim Zwischenstand von 87:65 (33.) war das Spiel eigentlich „weg“. Oder doch nicht? Die Heidelberger legten sich jedenfalls mächtig ins Zeug, verkürzten den Abstand sukzessive bis zum finalen 98:89 für die Ulmer und konnten dadurch mutmachende Signale mit auf die zweistündige Zugfahrt nehmen. Dieser Stimmungsaufheller kommt vor den Weihnachtsfeiertagen exakt zum richtigen Zeitpunkt. Denn für die MLP Academics geht es bereits am kommenden Mittwoch (27. Dezember, 18.30 Uhr) im SNP dome gegen den Tabellennachbarn aus Göttingen weiter. Für beide Klubs ist dies fraglos ein enorm wichtiges Spiel – im Aufbäumen und Kampf gegen den drohenden Abstieg.
Derweil ist das „X-Mas Game“ im „Dom“ vor den Toren der Universitätsstadt ausverkauft. Will heißen: Die Basketball-Community in der hiesigen Metropolregion steht hinter den Jungs vom Neckar, die in Ulm dokumentierten, dass sie es besser können als die bedrohliche Lage in der BBL vermuten lässt. 4.410 Zuschauer werden wohl im SNP dome eine höchst emotionale und spannende Korbjagd erleben. Für das Academics-Teams bedeutet es, sich über die Festtage gut zu regenerieren und mit mentaler Frische gegen die „Veilchen“ ans Werk zu gehen.
Es herrscht nach Ulm – und davor eher tristen Basketball-Tagen – wieder mehr Licht am Horizont. So viel Symbolik und Metaphorik sei an dieser Stelle gestattet. Kurz vor Weihnachten …
„Ich denke, wir haben in der ersten Halbzeit ein solides Spiel gezeigt. In einigen Phasen war das Rebounding ein Problem, wir haben zu häufig den Ball verloren oder keine guten Würfe genommen. Das führte dazu, dass Ulm im Umschaltspiel zu einfachen Punkten kam. Im dritten Viertel sind wir sowohl spielerisch als auch mental eingebrochen. Einige Spieler in unserer Rotation gingen mit der richtigen Energie voran, kämpften bis zum Ende und brachten uns nochmal ran.“ – Hylke van der Zweep, Assistant-Coach der MLP Academics Heidelberg.
„Zuerst Respekt an Trainer van der Zweep für eine gute Leistung seines Teams und wie er sie eingestellt hat. Es ist nie einfach in so einer schwierigen Zeit zu übernehmen. Besonders in der ersten Halbzeit zeigte Heidelberg ein gutes Spiel und machte uns das Leben schwer. Als wir uns einen Vorsprung erarbeitet haben, kämpften sie sich zurück. Ich denke, wir agierten weitestgehend zu eigensinnig. Auf dem Statistikbogen stehen zwar 26 Assists, dennoch sind wir, vor allem nachdem wir zweistellig geführt haben, zu oft in Einzelaktionen verfallen und jeder wollte seinen eigenen Wurf kreieren. Das ist nicht unser Spiel – wir gewinnen und verlieren als Mannschaft. Das müssen wir zukünftig ändern.“ – Anton Gavel, Headcoach von ratiopharm Ulm.
„Wir haben das Spiel Anfang des dritten Viertels aufgrund von Offensivrebounds und Ballverlusten verloren. Dennoch haben wir immer gekämpft und nicht aufgegeben, das hat mir heute gut gefallen. Ich denke, wenn wir die einfachen Punkte wegnehmen können, indem wir das Pick-and-Roll besser verteidigen, die Offensivrebounds holen und Ballverluste reduzieren, können wir mit vielen Teams mithalten. Diese Fehler müssen wir minimieren.“ – Vincent Kesteloot, Small Forward der MLP Academics.
„Wir haben heute hart gekämpft, aber haben das Rebound-Duell verloren, waren nicht aggressiv genug am Brett und haben unnötige Ballverluste gehabt. Im zweiten Viertel haben wir die Führung verloren und es verpasst, uns diese zurückzuholen. Ich bin froh, dass wir uns zurückgekämpft haben, das ist eine positive Sache!“ – Elias Lasisi, Shooting Guard der MLP Academics.
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Vincent Kesteloot 22 (2 Dreier), Elias Lasisi 14 (3), Joshia Gray 12 (2), Tim Coleman 11 (1), Paul Zipser 11 (2/6 Rebounds), Isaiah Whaley 8 (1), Niklas Würzner 3 (1), Akeem Vargas 3 (1), Bennet Hundt 3 (1), Jeffrey Carroll 2, Marcel Keßen.
ratiopharm Ulm: Trevion Williams 18 (1), L.J. Figueroa 13, Georginho de Paula 12 (2), Pacôme Dadiet 11 (2), Thomas Klepeisz 10 (1), Philipp Herkenhoff 8, Karim Jallow 8, Juan Nunez 7 (1), Nicolas Bretzel 6, Max Langenfeld 5 (1), Tobias Jensen, Alec Anigbata (DNP).
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien