Wenn es stimmt, dass Weihnachten keine Jahreszeit, sondern eher ein Gefühl sein soll, dann ist am Abend des 22. Dezember vielleicht sogar etwas Besonderes geschehen. Das 89:98 beim amtierenden Meister ratiopharm Ulm zeigte nämlich, dass die MLP Academics Heidelberg allein mit einer vorbildlichen Einstellung, unabhängig von all den vielen Feinheiten, gegen jedes Team in der easyCredit Basketball Bundesliga mithalten können. Einziges Problem dabei: Worte des Lobes und „Lametta“ von Gavel, Klepeisz, Jallow und Co. bringen Heidelberg keine Punkte für den Klassenverbleib. Doch diese sollen unmittelbar nach Weihnachten am Mittwochabend (18.30 Uhr/live bei Dyn ab 18.15 Uhr) folgen. Im Kellerduell mit der BG Göttingen geht es um eine ganze Menge für beide Kontrahenten. Der SNP dome wird zum zweiten Mal nach dem 90:109 gegen die Bambergs Baskets mit 4.410 Zuschauern ausverkauft sein.
Erster Erfolg im siebten Heimspiel?
Bei Mannschaft, Verantwortlichen und Fans steht der erste Erfolg im siebten Heimspiel ganz oben auf dem Wunschzettel. Es ist nur allzu verständlich. Seit Ende September warten nämlich alle darauf, dass die Zähler in Heidelberg bleiben. Eine harte Geduldsprobe. „Wir wollen gegen Göttingen endlich unseren ersten Heimsieg einfahren“, sagt der Sportliche Leiter Alex Vogel, „gerade defensiv haben die Niedersachsen Probleme. Wir müssen auf uns schauen und die Mannschaft sein, die das Spiel bestimmt.“
Die Bedeutung dieser Partie mit „Crunchtime“-Attributen ist groß. Beide Traditionsklubs haben derzeit erst zwei Saisonsiege auf ihrem Konto. Die Göttinger „Veilchen“ sind bei zwei Spielen weniger auf den drittletzten Platz abgerutscht. Gleich zu Beginn dieser Saison bezwangen sie die HAKRO Merlins Crailsheim bei einem Korbfestival mit 110:104, am 2. Dezember hielt man Bamberg mit 92:85 in Schach. Ähnlich wie bei unseren MLP Academics sorgen einige knappe Niederlagen für eine Hypothek. „Es wird ein harter Kampf um sehr wichtige Punkte in der Tabelle“, so Headcoch Joonas Iisalo, der wegen eines grippalen Infekts zuletzt nicht mit nach Ulm gereist war, aber gegen die Niedersachsen wieder die Regie am Rande der Bande übernehmen dürfte.
Joonas Iisalo: „In der Defensive gute Arbeit leisten“
Iisalos Mannschaft trainiert über die Festtage jeden Tag. Eine andere Option ließe der Spielplan auch gar nicht zu, wie Iisalo versichert. Die Herangehensweise gegen die Basketballgemeinschaft ist für den finnischen Trainer klar: „Wir müssen das Ballbesitzspiel gewinnen, was wiederum Rebounds und Turnover bedeutet. Wir müssen in der Defensive gute Arbeit leisten, um ihnen die Ballbewegung und die einfachen Körbe zu nehmen.“ Das klingt immer einfacher als es auf dem Parkett letztendlich ist. Hätten die Heidelberger diese vom Cheftrainer angeschnittenen Faktoren über 40 Minuten in der ratiopharm Arena konsequent umgesetzt, wäre wahrscheinlich sogar eine Sensation beim Rangzweiten gelungen, der wegen seines international-nationalen Mammutprogramms in einigen Phasen des Baden-Württemberg-Derbys leicht erschöpft gewirkt hatte.
Homogen und ohne Brüche im Spiel
Die Hausherren möchten jedenfalls auf der jüngsten Leistungssteigerung in Ulm aufbauen. Dazu benötigen sie eine homogene Vorstellung des Teams – ohne Brüche in der eigenen Spielweise. Prima, dass sich vor allem der neue Amerikaner Joshia „Josh“ Gray sowie Publikumsliebling Paul Zipser deutlich formverbessert präsentierten. Grays Wade und Zipsers Knie sollen gegen Göttingen halten, um sich am 27. Dezember selbst beschenken zu können.
Wie in Heidelberg blieb die sportliche Talfahrt des letztjährigen Playoff-Klubs Göttingen nicht ohne Folgen. Vor wenigen Tagen trennten sich die Lilafarbenen von ihrem amerikanischen Spielmacher Deondre Burns, der erst vor Rundenbeginn von Keravnos Strovolou aus Zypern in die Bildungs- und Forschungsstadt Göttingen gewechselt war. Burns zündete aus Sicht der BG-Entscheider nicht richtig. Die Zäsur hatte sich angedeutet. „Es hat sich in den vergangenen Wochen immer mehr gezeigt, dass unsere Vorstellungen und Erwartungen nicht zusammenpassen“, so wird BG-Headcoach Olivier Foucart auf der eigenen Homepage zitiert, „wir haben versucht, die Situation gemeinsam zu lösen, was uns aber nicht gelungen ist. Dann ist es besser, einen Schlussstrich zu ziehen. Das war keine leichte Entscheidung, weil Deondre einen guten Charakter hat.“
Das Kapitel Burns ist bei der BG beendet
Das Kapitel Burns ist also beendet. Für das Auswärtsspiel im SNP dome glauben Olivier Foucart und Geschäftsführer Frank Meinertshagen unterdessen nicht daran, schon einen Nachfolger und neuen Playmaker präsentieren zu können. Es sei nicht leicht, zu diesem Zeitpunkt jemanden zu finden, der weiterhelfe und ins Budget passe, so Foucart ergänzend. Sätze, die Basketballexperten bekannt vorkommen …
Wie dem auch sei: Göttingen hinkt bisher den eigenen Ansprüchen hinterher, wollte sich Richtung Playoff-Nähe bewegen und möchte sicherlich unverändert nichts mit dem Abstieg zu tun bekommen. Personell haben die Südniedersachsen an einigen Stellschrauben gedreht. Der Belgier Olivier Foucart beerbte Landsmann Roel Moors (Telekom Baskets Bonn) auf dem Trainerstuhl. Nicht weniger als neun Profis (Geno Crandall, Jesse Ani, Rob Edwards, Harald Frey, Mark Smith, Max Besselink, Javon Bess, Marios Giotis, Till Pape und Rayshaun Hammonds) verließen die BG.
Die Abgänge wurden quasi Eins-zu-Eins ersetzt. Auf der Centerposition kamen der Lette Karlins Silins (BK Liepaja/Litauen) und Philipp Hartwich (Würzburg Baskets) hinzu, die Forwards Grant Anticevich (Zerofoos Southland Sharks/Neuseeland) und Bodie Hume (Boras Basket/Schweden) ergänzten die lange Garde. Auf den Guard-Positionen wurde nahezu komplett neu strukturiert. Zach Ensminger (Bonn), Fedor Zugic (Ulm), Osaro Rich (medi Bayreuth) gelten allesamt als Perspektivspieler. Der junge Amerikaner Umoja Gibson, der nun die Hauptverantwortung auf der „Eins“ trägt, stammt aus dem College-Programm der DePaul University aus Chicago. Silins (14,9 Punkte) und Gibson (14,0) sind zugleich die bislang besten Scorer der Foucart-Truppe. Schmerzlich vermisst wird Kapitän und Sympathieträger Harper Kamp nach seiner Knie-OP im Spätsommer.
Alex Vogel: „Offensiv können sie heiß laufen“
„Göttingen hat eine Menge Talent in der Offensive, verfügt über mehrere Kreativspieler, Größe und Erfahrung“, macht sich Joonas Iisalo im Hinblick auf einen mutmaßlich nachweihnachtlichen Thriller nichts vor. Ähnlich wertschätzend stuft auch Alex Vogel die Gäste ein: „Sie sind eine Mannschaft, die offensiv über verschiedene Optionen verfügt. In Gibson haben sie einen Spieler, der im Pick-and-Roll für sich, aber auch für andere kreieren kann. Zudem haben sie einige Wings und Bigs, die von draußen sehr gefährlich sind. Offensiv können sie heiß laufen. In der bisherigen Saison haben sie einige Spiele sehr knapp und ärgerlich verloren.“
Viele Parallelen bestehen demnach zwischen den MLP Academics und den „Veilchen“. Man darf gespannt darauf sein, wem das Glück des Tüchtigen hold ist und wer über den längeren Atem verfügt. Geht es nach Headcoach Joonas Iisalo, sind die drei Hauptwünsche fürs neue Jahr 2024 ohnehin klar definiert. „Bleibt zusammen, bleibt gesund und zwingt auch etwas das Glück auf unsere Seite“, appelliert er ans Team und an den eigenen Profiklub. Gefühlvolle Worte sind es allemal.
Hinweis für Mittwochabend: Vor dem Sprungball möchten wir die Zuschauer darauf hinweisen, rechtzeitig zu kommen und möglichst öffentliche Verkehrsmittel am 27. Dezember zu benutzen. Die Partie gegen Göttingen ist mit 4.410 Zuschauern ausverkauft.
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien