Alex Vogel ist seit Sommer 2021 Sportlicher Leiter der MLP Academics und hat inzwischen seinen Vertrag bei den Universitätsstädtern bis 2026 verlängert. Der 32-Jährige ist gebürtiger Heidelberger und von kleinauf beim USC Heidelberg groß geworden. In unserem ausführlichen Sommerinterview geht es um die Bundesliga-Zukunft der Academics, den USC, ganzheitliche Ansätze, seine Expertentätigkeit im TV und die bevorstehende Basketball-WM in Asien. Hier kommt Alex …
Der Kader der MLP Academics steht pünktlich zum baldigen Saisonbeginn. Was traust Du sportlich der Mannschaft zu?
Wir blicken auf eine gute Offseason zurück, haben unter anderem ein großes Ziel gehabt: Kontinuität! Nun gehen wir mit durchaus großen Teilen der vergangenen Mannschaft auch ins neue Spieljahr. Dass wir mit drei Importspielern und Akeem Vargas verlängern konnten, ist ein tolles Zeichen und macht uns stolz. Wir sind davon überzeugt, dass auch die neuen Spieler sehr gut zu uns passen werden. Dennoch müssen wir realistisch bleiben. Das oberste Ziel bleibt ganz klar der Klassenerhalt. Dieser ist für uns keine Selbstverständlichkeit. Klar ist aber auch, dass das letzte Drittel der vergangenen Saison Hunger auf mehr gemacht hat. Wir wollen uns weiter verbessern. Dafür haben wir in der Offseason nun hoffentlich die Grundlage gelegt. Insgesamt bin ich für 2023/2024 optimistisch.
Wie würdest Du die drei neuen Amerikaner von ihrem Potenzial her einordnen?
Jeffrey Carroll haben wir lange beobachtet. Er ist ein Winning Player geworden, hat verstanden, was es bedeutet und bedarf, Spiele zu gewinnen. Jeff ist ein Athlet, ein guter Shooter, der auf verschiedenen Positionen einsetzbar ist. Im vergangenen Jahr hatten wir diesen Spielertypen nicht. Er wird uns offensiv und defensiv Flexibilität geben. Mike McGuirl hatte tolle College-Jahre. Er ist ein großer, sehr physisch agierender Guard, der viel in die Zone kommt und über große Qualitäten in der Defensive verfügt. Das Gesamtpaket hat uns von Anfang an überzeugt. Wir sind happy, dass er sich für uns entschieden hat. Isaiah Whaley wird uns auf dem Feld viel Energie und Emotionen geben. Er ist schnell, hat eine gute Athletik, ist ein Ringbeschützer und wird eine wichtige Rolle spielen. Isaiah passt sehr gut ins variable Spielsystem von Joonas Iisalo.
Welche Rolle kann und soll Center Marcel Keßen spielen?
In der BBL gibt es mehrere Spieler, die zuletzt aus der ProA kommend, in der BBL eingeschlagen haben: Kevin Yebo, Till Pape oder auch Max Ugrai. Wir trauen auch Marcel diese Entwicklung zu. Er hat in den vergangenen zwei Jahren in Hagen 27 Minuten im Schnitt gespielt und sehr solide gescort. Er ist ein Stretch Fünfer, der von der Dreierlinie verlässlich wirft. Marcel hat den Sommer über enorm hart gearbeitet und großen Willen versprüht. Wir sind gespannt, wie er sich entwickeln kann.
Unsere MLP Academics sind kein Ulm, Bonn, Bayern oder Berlin. Wie plant Ihr angesichts des wesentlich geringeren Budgets – und welcher Erfindungsreichtum muss da zuweilen an den Tag gelegt werden?
Ich denke, beim Recruiting braucht es immer eine gewisse Kreativität. Wir haben das letzte Jahr analysiert und darauf aufbauend klare Spielerprofile entworfen. Wie viele andere Teams können wir aus finanziellen Gründen natürlich nicht auf gestandene Spieler aus europäischen Top-Ligen wie Spanien, Frankreich oder der Türkei zurückgreifen. Stattdessen halten wir immer Ausschau nach Akteuren, die in niedrigeren Ligen überzeugen konnten, ihr Potenzial aber noch bei weitem nicht ausgeschöpft haben. Das ist logischerweise auch immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Im vergangenen Sommer ist uns dies sehr gut gelungen. Es wäre wünschenswert, wenn das erneut so funktioniert.
Ein emotionaler Höhepunkt ist die Rückkehr von Paul Zipser. Was kann sein Andocken sportlich wie imagemäßig bewirken?
Für Paul ist das eine besondere Geschichte, für unseren Klub aber natürlich auch. Er ist noch immer ein sehr guter BBL-Spieler, der Erfahrung auf allerhöchstem Niveau in NBA und EuroLeague gesammelt hat und darüber hinaus ein super Mitspieler ist. Wir sind sehr happy, Paul bei uns zu haben. Nun liegt es an uns, ihm das bestmögliche Umfeld zu geben, damit er sich nach schwierigen letzten zwei Jahren wieder in Richtung seines alten Leistungslevels bewegen kann. Eines ist sicher: Wir sind geduldig und schenken ihm da unser volles Vertrauen. Helfen wird sicherlich auch, dass Paul seine Stärken im System von Joonas gut einbringen kann.
Akeem ist von hier, Niklas ist von hier, Paul ist von hier – was muss generell geschehen, um in Zukunft große Talente dauerhaft in der hiesigen Region als Profis zu halten?
Ja, da ist kommende Saison viel Identifikation dabei. Das ist für unseren Bundesliga-Standort sehr schön. Für die Zukunft ist hierbei die Jugendarbeit sehr wichtig. Wir sind gerade dabei, uns infrastrukturell und personell so aufzustellen, dass wir Jugendspieler mit großem Potenzial mittel- bis langfristig davon überzeugen können, den Heidelberger Weg bis in die Bundesliga mitzugehen. Wir wollen Talente über den Jugendbereich hinaus an uns binden. Doch dies ist ein Prozess – und eben ein weiter Weg.
Jack McVeigh war eine absolute Bereicherung letzte Saison. Angeblich wäre er gerne in Heidelberg geblieben …
Jack ist ein unglaublicher Typ. Einer der verrücktesten Menschen, denen ich – im positiven Sinne – begegnet bin. Er wäre tatsächlich gerne in Heidelberg geblieben, doch sein tasmanisches Team hat ihn nicht gehen lassen. Wir hatten da keine Möglichkeit. Wer weiß, was die Zukunft bringt (lacht).
Oft sind es im Profibereich harte personelle Entscheidungen. Was lässt sich an dieser Stelle über die Abgänge Eric Washington, Max Ugrai, Lukas Herzog und Bryan Griffin sagen?
Eric hat eine sensationelle Saison gespielt und war einer der stabilsten Spieler in der gesamten BBL. Unser Anführer, der viele Partien für uns gewonnen hat. Am Ende muss man aber realistisch sein: Eine Vertragsverlängerung war nicht möglich. Eric ist in die ACB gewechselt, der nach der NBA stärksten nationalen Liga auf der Welt. Ich wünsche mir sehr, dass er da ähnlich erfolgreich agiert. Max hätten wir gerne gehalten. Ein super Typ, der sich bei uns hervorragend entwickelt hat. Wir respektieren seine Entscheidung und hoffen, dass er in Würzburg an seine bei uns gezeigten Leistungen anknüpfen kann. Luki war ein sensationeller Mitspieler. Auch wenn es für ihn nicht lief, ist er in jedem Training an seine Grenzen gegangen und hat das Team super unterstützt. Die zweite Saisonhälfte ist dann nicht so verlaufen, wir er sich das persönlich vorgestellt hat. Jetzt hoffe ich wirklich sehr, dass er in Bamberg seine Klasse zeigen kann. Bryan hatte zunächst Probleme bei uns, hat sich dann aber stark entwickelt. Er war ein spektakulärer Spieler, der die Fans mitgerissen hat. Wir hoffen, dass wir uns auf dieser Position defensiv verbessern können. Ihm wünschen wir viel Erfolg in Südkorea.
Shy Ely wird nach insgesamt acht Jahren nicht mehr zum Kader gehören. Welche Verdienste hat er bei den MLP Academics?
Shy hat eine große Bedeutung für den Heidelberger Basketball. Er war jahrelang in der ProA ein herausragender Akteur und hat sehr großen Anteil am Aufstieg vor zwei Jahren. In den vergangenen Spielzeiten hat er eindrucksvoll gezeigt, dass er auch auf BBL-Level noch immer sehr wertvoll sein kann. Unvergessen bleibt natürlich sein Buzzer zur Overtime im Heimspiel gegen Oldenburg. Wir wünschen Shy von Herzen nur das Beste.
Du hast Deinen Vertrag um drei Jahre verlängert. Welche perspektivischen Ziele möchtest Du im Verbund mit Joonas und dem Trainerteam, aber auch mit dem Team hinter dem Team ansteuern?
Es ist schön, dass wir uns einigen konnten. Ich glaube, dass das schon die letzten Jahre für beide Seiten sehr gut gepasst hat. Sportlich arbeiten wir alle sehr eng zusammen. Im gesamten Verein verändern sich viele Dinge ins Positive. Es geht darum, Dinge ganzheitlich zu verbessern – im gesamten Klub. Dazu gehört auch die Jugendarbeit. Unser Office arbeitet super. Das macht sehr viel Spaß. Doch sowohl auf dem Feld als auch off court ist das ein Prozess, der oft Zeit braucht. Sportlich wollen wir Kontinuität. Auf dem Feld soll unser Team einen attraktiven Basketball spielen. Im Vergleich zur vergangenen Spielzeit müssen wir uns defensiv steigern. Im März hat es bei uns auf dem Parkett geklickt. Das soll dieses Jahr früher der Fall sein. Wichtig ist, realistisch und bodenständig zu bleiben. Klar ist aber auch, dass wir mittel- bis langfristig als gesamte Organisation so aufgestellt sein wollen, dass wir selbstbewusst als Ziel die Playoffs ausgeben können. So weit sind wir aber noch nicht.
Spürbar sind die Verzahnungsprozesse zwischen Academics und dem Stammverein USC. Wie lassen sich diese ersten Entwicklungen weiterführen und vertiefen?
Der ganze Klub strebt eine engere Zusammenarbeit an und arbeitet hart daran. Es gibt viele Treffen auf unterschiedlichen Ebenen. Wir wollen als ein Klub wahrgenommen werden. Dabei helfen uns motivierte Leute sehr. Ich möchte ausdrücklich unseren neuen Abteilungsleiter Robert Ukalovic nennen, der einen Riesenjob macht und einiges bewegt. Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Auch Phillipp Heyden spielt eine wichtige Rolle. Er ist beim Training der ersten Mannschaft regelmäßig dabei, betreut zudem die Regionalliga und die NBBL. Er ist eine Schnittstelle zwischen dem e.V. und dem Bundesliga-Team. Nun geht es darum, uns personell und infrastrukturell weiterzuentwickeln. Davon profitiert schlussendlich der ganze Klub.
Du lebst Basketball, von Basketball und für Basketball. Wie gut lassen sich die Tätigkeiten als Sportlicher Leiter und als vielbeschäftigter TV-Experte bei Magenta inzwischen verbinden?
Die letzten beiden Jahre haben glaube ich gezeigt, dass das sehr gut funktioniert. Ich werde als TV-Experte keine BBL mehr kommentieren. Dennoch bin ich sicherlich weiterhin ab und zu im Einsatz, zum Beispiel bei der kommenden WM sowie bei der EuroLeague. Mein voller Fokus gilt natürlich dennoch den MLP Academics. Das ist meine Leidenschaft und eine echte Herzensangelegenheit für mich. Ich kann es kaum abwarten, bis die Saison wieder startet.
Warum bist Du gespannt wie ein Flitzebogen auf die bevorstehende Basketball-WM?
Weil bei dieser WM neun Teams realistisch Weltmeister werden können. Aufgrund der größten individuellen Klasse zählen die USA, obwohl sie nur mit einem 1C-Team antreten, und Kanada zu den Favoriten. Doch mit Spanien, Slowenien, Australien, Frankreich, Deutschland, Griechenland und Serbien, leider ohne Nikola Jokic, gibt es sieben weitere Teams, die allesamt für Unruhe sorgen. Auch Finnland und Litauen sollte man nicht unterschätzen. In weniger als einem Monat geht es dann auch schon endlich los.
Was kann das Team von Gordon Herbert nach EM-Bronze im eigenen Land nun in Japan, Indonesien und auf den Philippinen erreichen?
Deutschland hat alle Möglichkeiten. Ich traue der Truppe um Trainer Gordon Herbert wirklich alles zu. Schon bei der EM 2022 standen sie kurz vor dem Finaleinzug. Sie haben einen super Teamgeist, mit Dennis Schröder und Franz Wagner große Klasse in der Spitze, viel Tiefe im Kader, dazu Länge und mit Herbert einen exzellenten Trainer. Die Absage von Maxi Kleber tut weh, doch die Mannschaft kann das auffangen. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass auch ein Zwischenrundenaus nicht unrealistisch ist. Für das Viertelfinale muss Deutschland ein Team aus Slowenien und Australien hinter sich lassen. Das ist sehr tough. Dennoch: Es kann für Deutschland sehr weit gehen.
Bitte vervollständige folgenden Satz: Wenn ich mal überhaupt nicht an die MLP Academics und Basketball denke, dann …
… denke ich an Essen. Ich liebe gutes Essen mit guten Leuten!
Alex, vielen Dank fürs Gespräch.
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien
Infobox: Unser Kader
Guards: Mike McGuirl, Bennet Hundt, Niklas Würzner, Akeem Vargas, Elias Lasisi, Samuel Schally.
Forwards: Paul Zipser, Jeffrey Carroll, Tim Coleman, Vincent Kesteloot, Felix Edwardsson, Evan Rietsch.
Center: Isaiah Whaley, Marcel Keßen.
Zugänge: Zipser (FC Bayern Basketball), Carroll (Helsinki Seagulls), McGuirl (FOG Næstved/Dänemark), Whaley (Astros de Jalisco Guadalajara/Mexiko), Keßen (Phoenix Hagen), Schally (BIS Baskets Speyer), Rietsch (Saint-Quentin Basketball/Frankreich).
Abgänge: Eric Washington (El Monbus Obradoiro Santiago de Compostela/Spanien), Jack McVeigh (Tasmania Jack Jumpers), Max Ugrai (Würzburg Baskets), Lukas Herzog (Bamberg Baskets), Bryan Griffin (Anyang/Südkorea), Shy Ely.