Mit 100:96 nach Verlängerung gewinnen die MLP Academics Heidelberg das Auftaktspiel der diesjährigen Playoffs beim Tabellendritten in Bremerhaven. Eine erneut hervorragende Dreierquote von 50% ebnet in einer wechselhaften und dramatischen Partie den Weg zum Sieg. Die besten Schützen für Heidelberg sind Shy Ely (19), Sa’eed Nelson, Shaun Willett und Jordan Geist (je 15). Und nein, wir haben uns mit der Überschrift nicht geographisch von der Nord- an die Ostsee verirrt. Was der nervenaufreibende Sieg nach Verlängerung in Bremerhaven dennoch mit Geist(ern) und Rostock zu tun hat, wird im Laufe dieses Artikels erläutert.
Scheinbar inspiriert durch die beiden letzten Siege der regulären Saison ließ Coach Frenki erneut eine Starting Five ohne Shy Ely das Duell mit den Eisbären beginnen. Doch der Start verhieß zunächst nichts Gutes, denn es sollte zunächst nicht viel gelingen. Zwar konnte ein früher Rückstand (4:0) mit zwei erfolgreichen Dreiern durch Evan McGaughey und Jordan Geist in eine vorübergehende Führung gewandelt werden. Die Bremerhavener setzten nun jedoch ihrerseits zu einem 9:0 Lauf an, in welchem der physische US-Amerikaner Will Daniels für die Heidelberger kaum zu stoppen war. Immer wieder tankte sich das Kraftpaket unter dem Korb durch und kam so zu erfolgreichen Abschlüssen.
Beim Spielstand von 13:6 für die Gastgeber hatte Frenki dann auch genug gesehen. Ihm konnte weder der Spielfluss in der Offensive noch die Intensität in der Defensive gefallen haben. Mit der Auszeit kam dann auch Ely aufs Feld, der sich postwendend mit einem erfolgreichen Dreipunktwurf bedankte. Somit wurden die ersten neun Punkte der Heidelberger allesamt von jenseits der 6,75m Linie erzielt. Doch auch in den kommenden Angriffen kamen die Academics zu keinem richtigen Spielfluss gegen intensiv verteidigende Gastgeber, denen nicht anzumerken war, dass sie aufgrund der nicht beantragten BBL-Lizenz irgendwie Probleme mit der Motivation haben könnten. Zum Viertelende leuchtete dementsprechend auch eine 25:17 Führung auf der Anzeigetafel im Trainingszentrum (die Arena der Eisbären musste während der Saison einem Impfzentrum weichen) am Amerikaring.
Dass Basketball ein „Spiel der Läufe“ ist, wurde in unseren Berichten schon thematisiert und konnte insbesondere bei den Academics in dieser Saison häufig beobachtet werden. Ein solcher Lauf eröffnete dann auch das zweite Viertel, in welchem insbesondere Ely, Nelson und der zuletzt schwächelnde Willett aufdrehten und immer wieder Freiräume in der gegnerischen Verteidigung nutzten. In weniger als dreieinhalb Minuten drehte die Partie durch einen 17:0 Run gänzlich zu Gunsten der Gäste. Es dauerte mehr als vier Minuten im zweiten Viertel ehe die Eisbären durch zwei erfolgreiche Freiwürfe von Max Ugrai wieder zu Punkten kamen.
Es machte sich der Eindruck breit, man könne in dieser Phase mehr als nur eine Vorentscheidung erreichen. Doch die Bremerhavener zeigten erneut eine gute Moral und kämpften sich ähnlich wie im letzten Spiel vor einer Woche bis kurz vor Ende der ersten Halbzeit auf drei Punkte ran, ehe Ely erneut mit einem Dreier mit Ablauf der Zeit den 44:50 Halbzeitstand herstellte. Der spätere Topscorer der Kurpfälzer hatte bis dahin bereits 14 Punkte (4 Dreier) erzielt. Es scheint, dass ihm die Rolle von der Bank zu kommen, gar entgegenkommt.
Ein Spieler, den die Heidelberger in den bislang drei Begegnungen nie wirklich in den Griff bekommen konnten, ist der Kapitän der Bremerhavener Max Ugrai mit 17 Punkten Schnitt. Dass der gebürtige Bad Mergentheimer jedoch nicht nur durch seine Performance am Ball glänzt bewies er in einer Szene, als der Ball in einer unübersichtlichen Situation im Aus landet und die Schiedsrichter auf Ballbesitz Bremerhaven entscheiden. Frenki wusste oder meinte zumindest es zu wissen, dass Ugrai den Ball über die Auslinie befördert habe. Der Protest der übrigen Spieler hielt sich jedoch in Grenzen. Doch plötzlich hieß es: Ballbesitz Heidelberg. Ugrai hatte einem der Offiziellen mitgeteilt, dass er selbst zuletzt am Ball gewesen sei und somit die Gäste Einwurf haben sollten. Eine faire Geste, die in dieser Form sehr selten zu beobachten ist und somit eine besondere Würdigung verdient. Das ist Fairplay, Max Ugrai!
Im Vorbericht wurde Leon Friederici als Shooting Star tituliert, was vielleicht dem ein oder anderen zu hochgestochen dahergekommen sein mag. Doch auch heute gelang es dem Shooting Guard aus quasi jeder Lage zu scoren. Immer wieder netzte er seine Würfe von außen, zog dynamisch zum Korb, wo er entweder abschließen oder nur durch ein Foul gestoppt werden konnte. Verhindern konnten hingegen weder Friederici noch Ugrai, dass die Gäste aus Baden-Württemberg, bei denen das Scoring auf deutlich mehr Schultern verteilt werden konnte, sich auf 53:65 (26. Minute) absetzen konnten. Als Willett seinen Zug zum Korb dann noch mit einem Statement-Dunk ins Gesicht von Moses Pölking abschloss, wirkte es erneut wie eine Vorentscheidung zu Gunsten der Gäste. Erneut weit gefehlt. Zwar konnten die Norddeutschen den Rückstand bis zur Viertelpause nur um vier Punkte auf 63:71 verkürzen. Aber es war spürbar, dass der berühmte Drops noch lange nicht gelutscht war.
Nein, die letzten zehn Minuten gehören diese Saison einfach nicht den MLP Academics Heidelberg. Während man die ersten drei Viertel allesamt im Schnitt über die Saison verteilt recht deutlich gewinnt, so ist ein regelmäßiger Leistungsabfall im letzten Viertel unverkennbar. Würde es den Bremerhavenern etwa auch gelingen, den acht Punkte Rückstand wettzumachen? Der Start ins vierte Viertel ließ zumindest den Verdacht aufkommen. Nach elf gespielten Sekunden hollte sich Albert Kuppe sein 5. Foul ab, und musste das Spiel fortan von der Bank aus verfolgen. Zwei individuelle Fehler in der Defense wusste Ugrai mit all seiner Erfahrung zu nutzen, indem er weitere fünf Punkte einsammelte. Beflügelt von der Leistung seines Mitspielers drückte im darauffolgenden Angriff der über für ihn gestellten Block kommende Friederici trocken von jenseits der Dreipunktlinie ab. Der komfortable Vorsprung war somit innerhalb kürzester Zeit auf zwei Punkte geschrumpft.
Doch damit nicht genug. Die Heidelberger wirkten nun verunsichert und fanden offensiv keinen Rhythmus mehr. Nach einem verlegten Korbleger von Willett, bekam Friederici im Fastbreak den Ball und konnte auf dem Weg zum Korb nur noch durch ein Foul von Jordan Geist gestoppt werden. Zu seiner Überraschung entschieden die Schiedsrichter auf unsportliches Foul, was nicht nur zwei Freiwürfe (die Friederici beide traf und somit den Ausgleich besorgte) sondern auch anschließenden Ballbesitz nach sich zieht. Als Armani Moore dann noch per Korbleger einen 10:0 Lauf für die Gastgeber perfekt machte, lag man plötzlich mit zwei Punkten hinten.
Diese Wende im Spiel stellte die Academics vor eine knifflige Aufgabe. Wenn man einen so spielstarken Gegner durch individuelle Fehler in fremder Halle aufbaut, ist ein Comeback im vierten Viertel unwahrscheinlich. Doch Jordan Geist schien seinen Bock durch sechs Punkte in Serie wieder gutmachen zu wollen. Ein Korbleger von Armin Trtovac, der erneut einen offensiv guten Abend erwischte, hätte wieder etwas Ruhe ins Heidelberger Spiel bringen können. Ein optisches Highlight setzte dann zudem Evan McGaughey, der nach einem Steal den Fastbreak mit einem krachenden Dunking abschloss. Als Jordan Geist dann noch einen erfolgreichen Dreier nachreichte und den Spielstand auf 77:86 (36. Minute), schien es fast, als mutiere er mit seinen neun Punkten in diesem Viertel zum Matchwinner.
Flashback: es war der 9. Dezember in der Stadthalle in Rostock. Die Academics liegen überraschend mit vier Punkten beim Favoriten in Führung. Die Uhr zeigt noch 1:33 Minuten Spielzeit an, als Niklas Würzner den Ball im Duell mit Behnam Yakhchali verliert und Jordan Geist sein erstes unsportliches Foul der Partie abholt. Nur eine Minute später, die Academics sind noch immer in Führung, verliert Geist selbst den Ball, greift auf dem Boden liegend dem Gegenspieler anschließend ans Fussgelenk, um den Fastbreak zu verhindern und holt sich das zweite unsportliche Foul ab. Fortan durfte Geist nicht mal mehr zuschauen, sondern musste (regelkonform) die Halle verlassen. Am Ende verloren die Heidelberger ein sicher gewonnen geglaubtes Spiel an der Ostsee und mussten die lange Heimreise ohne die zwei Punkte antreten.
Warum dieser Ausflug in die Vergangenheit? Nun, ein unsportliches Foul hatte sich Geist zu Beginn des vierten Viertels ja schon abgeholt. Als Max Ugrai an Evan McGaughey mit einem Drive zum Korb vorbeizog, wusste McGaughey sich nur mit einem Foul zu helfen. Ugrai wollte den Angriff aber nicht abbrechen, weshalb ihn Geist vorsätzlich die Arme runterzog, um den Korbleger zu verhindern. Die Parallelen zum Spiel in Rostock sind frappierend. Denn wieder hatte der US-Amerikaner ein gutes Spiel abgeliefert. Wieder sah er wie der mögliche Matchwinner aus. Wieder war man kurz davor ein Spitzenteam auswärts zu schlagen. Und wieder drohte man, den Sieg wegzuwerfen.
Die schmerzliche Konsequenz dieser Szene waren vier Freiwürfe (die Ugrai allesamt treffen konnte) und Ballbesitz, den Armani Moore zu allem Überfluss aus Heidelberger Sicht auch noch mit erfolgreichem Korbleger plus Foul vergoldete. Gerade einmal elf Sekunden reichten aus, um den hart erkämpften Vorsprung um sieben Punkte auf 83:86 zu verkürzen. Zwei Minuten vor Ende war das Spiel nach einem wilden Dreier von Curtis Davis ausgeglichen. Zwar konnte Würzner diesen postwendend kontern und erneut die Führung auf drei Punkte erhöhen. Da Heidelberg aber keine weiteren Punkte mehr erzielen konnte, gelang den Eisbären der Ausgleich und konnten eine Verlängerung erzwingen.
In der Verlängerung zeichnete sich ein Bild zweier scheinbar erschöpfter Mannschaften ab. Über zweieinhalb Minuten dauerte es, bis die ersten Punkte durch zwei Freiwürfe von Nelson erzielt werden konnte. Bezeichnend in dieser Phase war, dass viele Würfe aus dem Feld deutlich zu kurz gerieten, ein Zeichen für einsetzende Müdigkeit der Spieler. Da den Eisbären nur ein einziger Korb aus dem Feld gelang, reichten acht Punkte der Academics in der Verlängerung, um das Spiel mit 100:96 zu gewinnen.
Was dieser Sieg wert ist, wird man am Mittwoch sehen können, wenn es gegen die wieder erstarkten Schwenninger geht, die die Kirchheim Knights überraschend deutlich mit 86:68 schlagen konnten.