Welch ein unfassbares Drama: Die MLP Academics Heidelberg hatten am Sonntagabend bei den Rostock Seawolves mehrfach die Chance, die spannungsgeladene Partie in der easyCredit Basketball Bundesliga nach Hause zu bringen, doch selbst ein 15-Punkte-Vorsprung nach 27 Minuten und eine Situation 15 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit – Ballbesitz beim Stand von 93:93 – reichten nicht, um wie bereits in der vergangenen Saison aus Mecklenburg-Vorpommern Punkte zu entführen. Nach insgesamt 50 Minuten und zwei Verlängerungen steht am Ende ein 122:113 (19:25, 26:22, 27:34, 21:12, 8:8, 21:12) auf der Anzeigetafel vor 4.065 Zuschauern in der Stadthalle. Während die Gastgeber nach einem fulminanten Comeback ihren ersten Saisonerfolg ausgiebig feierten, war unseren Heidelbergern nach einem total verrückten Match die große Enttäuschung anzusehen.
„Natürlich ist es kein gutes Gefühl, nach zwei Verlängerungen zu verlieren“, sagte Academics-Headcoach Joonas Iisalo. Wie alle aus dem Heidelberger Tross hätte sich Iisalo ein glücklicheres Ende gewünscht. Denn im Grunde insgesamt dreimal besaßen die Gäste die Chance, den Sack am 2. Spieltag zuzumachen. Nach einem 57:72 (27. Minute) für Vargas und Co. sowie kurz vor Ende der 40 Minuten war dies der Fall. 15 Sekunden standen noch auf der Uhr – und die MLP Academics trafen in diesem Moment die Entscheidung, es von hinter der 6,25-Meter-Linie zu versuchen – erfolglos.
Mindestens genauso tragisch: Elias Lasisi versenkte 5,9 Sekunden vor Abschluss der ersten Verlängerung seine beiden Freiwürfe zum 101:98 für Heidelberg. Doch wie so häufig in der zweiten Halbzeit, ließ man den wie entfesselt auftretenden Playmaker Mike Smith (30 Punkte) gewähren – dessen Dreier zum 101:101-Ausgleich exakt 0,4 Sekunden vor Ertönen der Sirene bedeutete ärgerlicherweise die zweite Overtime. Danach ging den Jungs vom Neckar nach einem allerletzten Gleichstand (106:106, 47.) durch Jeffrey Carroll buchstäblich die Luft aus. Rostock gelang es, sich in einen Rausch zu spielen. Und dieser Energie und auch dieser unheimlichen Wucht der „Seewölfe“ konnten die MLP Academics nichts mehr entgegensetzen.
Dabei begann es für die Korbjäger sehr vielversprechend. Auch ohne den weiter am Knie verletzten Powerman Tim Coleman legten die Kurpfälzer einen ordentlichen Start hin und schienen die Partie zusehends unter Kontrolle zu bringen, zumal Jeffrey „Jeff“ Carroll (33 Punkte, vier Dreier) und Paul Zipser (22, 4) offensiv überzeugten. Auf das genannte Duo konnte sich das Team verlassen.
Es deutete über weite Strecken der Begegnung alles auf den ersten Auswärtserfolg der Iisalo-Schützlinge hin. Erst recht, weil die variable Defensive den Gastgebern zusetzte. Problematisch sollte lediglich ein zwischenzeitlicher 11:0-Run der Rostocker im zweiten Viertel sein. Und nach der vermeintlich komfortablen Führung (57:72) leisteten sich die MLP Academics zu viele kleine Fehler in der Defensive. Playmaker Mike Smith und das Kraftpaket Matt Bradley (21) ergänzten die etatmäßigen Vollstrecker Derrick Alston Jr. (24) und Tyler Nelson (15). Der nur 1,80 Meter große Smith und Linkshänder Bradley sorgten maßgeblich für ein komplett irres Rostocker Comeback, so dass die Fans in Ekstase gerieten und ihre Lieblinge unermüdlich antrieben. Dies bedeutete in Summe das Happy End für die Nordlichter.
Die MLP Academics müssen sich derweil an die eigene Nase fassen. Die Reboundstatistik (54/42) ging an Rostock, wohingegen die Gäste bei den Offensivrebounds (17/13) und an der Freiwurflinie mit einem Plus von 13 Punkten die Oberhand behielten. Ausschlaggebend sollten wie gegen ALBA Berlin die Wurfquoten sein. 52 Dreierversuche, bei 15 Treffern, sorgten für eine relativ schwache Quote (29 Prozent!). Hier erwies sich das Team von Trainerkollege Christian Held als effizienter (17/33) bei 52 Prozent.
Es verwundert nicht weiter, dass Heidelberg in einem „High-Score-Game“ am finalen 122:113 für die Seawolves zu knabbern hatte. Positiv gilt es indes zu verbuchen, dass „Jeff“ Carroll und Paul Zipser eine enorme Leistungssteigerung gelang. Und auch Isaiah Whaley sowie Mike McGuirl scheinen sich relativ flott an die Gegebenheiten und die Athletik in der BBL zu gewöhnen.
„Wir haben heute allgemein Rostock sehr viel gegeben“, sagte Routinier Akeem Vargas, der wie seine Teamkameraden inständig auf ein Erfolgserlebnis am Samstag (7. Oktober, 20 Uhr) im SNP dome gegen die EWE Baskets Oldenburg hofft. Da war doch was? Richtig. Ende Oktober 2022 bezwangen die MLP Academics die Niedersachsen mit 102:94 nach einmaliger Verlängerung. Man will es nicht beschreien: Der nächste Thriller ist nicht auszuschließen. Doch in sechs Tagen soll die Hatz nach Körben möglichst ein gutes Ende für die „Akademiker“ und ihre Fans aus der Unistadt finden.
„Glückwunsch an Christian und sein Team zum Sieg. Natürlich ist es kein gutes Gefühl, in zweifacher Verlängerung zu verlieren. Wir haben eine Menge guter Dinge gemacht auf dem Feld, waren mit 15 Punkten vorne, haben mehr Offensivrebounds geholt, mehr Turnover beim Gegner produziert und sind oft an die Freiwurflinie gekommen. Aber Rostock hatte eine starke Wurfquote mit 17/33 Dreiern. Wir hatten einen unterdurchschnittlichen Abend. So verlierst du dieses Spiel, auch wenn du drei von vier Faktoren gewinnst. Natürlich ist es für uns ein enttäuschendes Gefühl, aber aber dennoch bin ich sehr stolz auf mein Team, sie haben viele Dinge richtig gemacht. Es wäre ein sehr viel besserer Heimweg gewesen mit einem Sieg, aber es ist wie es ist.“ – Joonas Iisalo, Headcoach der MLP Academics.
„Vielen Dank für die Glückwünsche. Ich bin extrem stolz auf die Mannschaft. Ich glaube, wir waren als Mannschaft in einer Phase, die nicht so einfach war, von daher möchte ich gar nichts von der Mannschaft wegnehmen. Sie ist zusammen geblieben, sie hat gefightet und am Ende immer Lösungen gefunden. Nichtsdestotrotz finde ich, dass man ein paar Zahlen nennen kann, die bemerkenswert sind. Da wären zum einen 15:0-Freiwürfe in der ersten Halbzeit bei einer Foulverteilung von 12:6. Am Ende 30:23 und die Freiwürfe 39:22. Ich glaube, das sind Zahlen, die ganz interessant sind und die man sich angucken muss. Des Weiteren muss man sehen, wir haben zwei Spieler, die auf dem Weg sind ins Krankenhaus und die auch die Nacht im Krankenhaus verbringen werden, das steht jetzt schon fest. Was sie haben, wissen wir leider noch nicht, da müssen wir jetzt abwarten, wie es weitergeht. Ich glaube, das sind Fakten, die muss man sich gut angucken und ich glaube auch, dass nicht nur wir uns die angucken sollen, sondern vielleicht auch noch andere. Aber wie gesagt: Mir ist es ganz wichtig, nichts von der Mannschaft wegzunehmen. Ich finde, Heidelberg hat heute auch einen hervorragenden Job gemacht, sie haben gefightet und viele Dinge richtig gemacht. So ein Spiel zu gewinnen, ist alles andere als einfach, nichtsdestotrotz haben wir das heute geschafft, darauf bin ich sehr stolz heute.“ – Christian Held, Headcoach der Rostock Seawolves.
„Glückwunsch an Rostock. Es war ein harter Kampf mit starken Würfen auf beiden Seiten. Wir sind besser in das Spiel reingekommen als die letzten beiden Spiele und sind zwischendurch mit 13, 14, 15 Punkten vorne. Insgesamt hatten wir noch mehr Konstanz im Spiel, was gut ist, aber diese Niederlage in der Verlängerung ist natürlich bitter. Wir sind nicht gut in die Saison reingekommen, gegen ALBA ist es natürlich schwer, heute hätten wir es aber auf jeden Fall gewinnen müssen. Zwischendurch haben wir ein paar Dinge zu sehr schleifen lassen und Rostock hat viele toughe Würfe getroffen. Im vierten Viertel hatten wir ein Reboundproblem, das hat uns das Genick gebrochen am Schluss. Über meine persönliche Leistung kann ich mich vielleicht in ein paar Tagen freuen, jetzt nicht.“ – Paul Zipser, Forward der MLP Academics.
„Wir haben heute verloren, weil wir zu viele Offensivrebounds abgegeben haben. Besonders sinnbildlich dafür der Ballbesitz mit vier Offensivrebounds und dem Score für Rostock. Man muss sagen, dass wir allgemein Rostock heute sehr viel gegeben haben. Wir waren schon 15 Punkte vorne, davor zweimal im Verlauf des Spiels mit plus 10, von daher ist es natürlich sehr bitter für uns, dass wir ohne Punkte zurückkommen. Wir haben den Ball wieder recht schlecht geworfen von der Dreierlinie. Nichtsdestotrotz haben wir jetzt die Chance, zu Hause vor eigenen Fans eine ähnliche Situation anzutreffen, wie Rostock jetzt hatte, die 0:2 gestartet sind. Wir sind in der Liga auch 0:2 gestartet und können jetzt mit unseren Fans zu Hause mit Oldenburg einen Gegner spielen, der uns letztes Jahr sehr gut lag.“ – Akeem Vargas, Kapitän der MLP Academics.
„Das war ein hartes Spiel für uns. Wir haben es nicht so beenden können, wie wir wollten, können jedoch einige positive Schlüsse aus dem Spiel ziehen. Wir haben ein toughes Spiel vor einer lauten Zuschauermenge gespielt. Jetzt können wir es nicht abwarten, zurück nach Heidelberg zu kommen und wieder zu arbeiten, damit wir uns auf das Spiel am Samstag gegen Oldenburg vorbereiten können. Ich freue mich, Euch alle zu sehen, bis bald!“ – Jeffrey Carroll, Topscorer der MLP Academics in Rostock.
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Jeffrey Carroll 33 (4 Dreier), Paul Zipser 22 (4), Isaiah Whaley 15, Elias Lasisi 12 (2), Mike McGuirl 10, Bennet Hundt 8 (2), Akeem Vargas 6 (2), Marcel Keßen 6 (1), Vincent Kesteloot 1, Niklas Würzner (DNP).
Rostock Seawolves: Mike Smith 30 (6), Derrick Alston Jr. 24 (2), Matt Bradley 21 (5), Tyler Nelson 15 (2), Chris Carter 7 (1), Chevez Goodwin 6, Eric Lockett 6, Robin Amaize 5 (1), Till Gloger 4, Sid-Marlon Theis 4, Darren Aidenojie (DNP), Oshane Drews (DNP).
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien
Fotos: Stefan Junghanns