Wie eng Freud und Leid im Profisport zusammenliegen können, mussten die MLP Academics Heidelberg in den letzten Wochen hinlänglich erfahren. Unsere Mannschaft hatte in der easyCredit Basketball Bundesliga ein Tief zu überwinden – und zumindest nach dem jüngsten 93:86-Erfolgserlebnis bei den HAKRO Merlins Crailsheim scheint die sportliche Herbstdepression, die sich in drei bitteren Heimniederlagen hintereinander gegen Hamburg, Bamberg und Würzburg ausdrückte, überwunden zu sein. Mentalität, Energie und Abschlussstärke stimmten im Aufeinandertreffen mit den „Zauberern“, nun wollen die Universitätsstädter diesen Schwung auch in den Westen Deutschlands mitnehmen. Am Sonntagnachmittag (15.30 Uhr/live bei Dyn ab 15.15 Uhr) empfangen die grundlegend veränderten Telekom Baskets Bonn die MLP Academics. Hierbei ist die Ausgangskonstellation eindeutig: Die Korbjäger vom Hardtberg sind der hohe Favorit, die Gäste aus Nordbaden der – hoffentlich – freche Außenseiter.
Für Heidelberg soll es im Stadtteil Duisdorf und im dortigen Telekom Dome (Kapazität 6.000 Zuschauer) einen weiteren Stimmungsaufheller und keinen ernüchternden „R(h)einfall“ geben. Entscheidend ist am Ende eine durchweg gute Leistung. „Wir wollen mit dem gleichen Willen und Kampf, der gleichen Intensität wie in Crailsheim agieren. Da sind wir als Mannschaft geschlossen aufgetreten“, sagt der Sportliche Leiter Alex Vogel bestimmt, „wir fahren nach Bonn, um das Spiel zu gewinnen!“ In der Tat kann es fesselnd werden, wenn die Iisalo-Schützlinge an dessen alter Wirkungsstätte, ehe er 2022 als Headcoach zu den „Akademikern“ wechselte, am obersten Limit operieren und sich nicht von der elektrisierenden Stimmung im „Tempel“ der Magentafarbenen beirren lassen. „Solange man wirklich hart kämpft, den nächsten Spielzug macht und sich gegenseitig unterstützt, passieren meist gute Dinge“, reagiert Joonas Iisalo auf die Frage, welche Kräfte nach dem heißen „Tanz“ in Crailsheim freigesetzt werden können.
Ein Booster täte dem Team gut, zumal das Jahresrestprogramm sehr anspruchsvoll ausfällt. Nach Bonn folgen die Partien gegen Ludwigsburg, Chemnitz, Ulm, Göttingen und den FC Bayern Basketball. Jeder Sieg würde helfen, um eine Spur gelassener in die nahe Zukunft blicken zu dürfen. „Zusammenhalten und kämpfen wie verrückt“, so lautet Iisalos Botschaft, wie sich die Herkulesaufgabe bei den Baskets grundsätzlich annehmen lässt. Dazu müssen alle Academics-Akteure ihren Beitrag leisten. Wie in der Crailsheimer „Stierkampfarena“. Besonders erfreulich: Shooter Jeffrey Carroll machte sein bislang bestes Spiel im Heidelberger Trikot – mit exzellenten Wurfquoten. Weder das Trainerteam noch Carroll selbst haben irgendetwas Wesentliches verändert. „Ich denke, es war nur eine Frage der Zeit, bis er ein gutes Spiel machen wird“, so Joonas Iisalo im Brustton der Überzeugung. In Rostock und Crailsheim jedenfalls entfaltete der athletische, 1,98 Meter große Amerikaner sein Potenzial und übernahm die ihm zugedachte Verantwortung. Freilich werden die Bonner nun ein besonderes Augenmerk auf den Texaner aus Alexandria legen, ähnlich wie bei Vincent Kesteloot und Tim Coleman, vom durchschnittlichen Scoring her die bisher besten Heidelberger Cracks.
„Bonn ist eine sehr tiefe und starke Mannschaft. Sie gehören offensiv zu den besten Teams der Liga. Bonn spielt zwar eher langsam, hat dafür eine gute Kontrolle und zahlreiche Optionen im Angriff. Auch haben sie große Qualitäten beim Rebounding, speziell offensiv. Hier müssen wir aufmerksam sein“, warnt Alex Vogel vor den vielseitigen Facetten des Baskets-Stils. Das Team von Headcoach Roel Moors hat sich nach den zwei überraschenden Auftaktniederlagen gegen die beiden Aufsteiger RASTA Vechta (79:84) und Tigers Tübingen (76:88) berappelt und in der BBL lediglich bei Meister ratiopharm Ulm (87:105) am 5. November nochmals das Nachsehen gehabt. Demgegenüber stehen die spektakulären Triumphe in Ludwigsburg (91:86) und gegen die Bayern (88:83). Heißt: Mit dem sechsmaligen Vize-Meister ist auch nach der krassen Zäsur zu rechnen. „Bonn hat Champions-League-Tiefe. Sie sind gut gecoacht. Sie haben Größe, Kreativität und Erfahrung. Für sie ist wahrscheinlich die Zeit die größte Schwäche. Sie spielen in zwei Ligen und haben eine komplett neue Mannschaft, so dass sie nicht viel Zeit zum Trainieren haben“, sagt Iisalo über die Eigenschaften des Kontrahenten.
Wie kein anderes Team in der BBL hat der begeisterungsfähige Klub auf den Resetknopf gedrückt. Nach dem Weggang von Trainer Tuomas Iisalo und sechs Profis (!) zu Paris Basketball blieb beim letztjährigen Champions-League-Gewinner kein einziger Protagonist unter der Reuse übrig. Für die neuerliche Doppelbelastung bauten die Rheinländer einen Kader zusammen, der eine Mischung aus BBL-erfahrenen Spielern und Importcracks aus Übersee wie aus Europa darstellt. Brian Fobbs (Mechelen), Glynn Watson (Jonava/Litauen), Tyreese Blunt (Coburg), Sam Griesel (University of Nebraska/Lincoln), Harald Frey (Göttingen), Leon Bulic (Coburg), Savion Flagg (Lavrio/Griechenland), Noah Kirkwood (Long Island), Florian Koch (Rhöndorf), Till Pape (Göttingen), Ike Udanoh (Straßburg), Thomas Kennedy (Scarborough/Kanada), Benedikt Turudic (Braunschweig) und der deutsche Nationalspieler Christian Sengfelder (Bamberg) stellen ein internationales Basketball-Orchester in der Beethoven-Stadt, das bereits an Harmonie gewonnen und als Minimalziel das Erreichen der Playoffs ausgerufen hat. Wenngleich die Bonner heuer wahrscheinlich nicht den europäischen Titel verteidigen können, der Wettkampf in der Gruppe F der Champions League gegen Bursaspor (Türkei), Rio Breogan (Spanien) und Holon (Israel) wird sie fürs deutsche Oberhaus immens stählen.
„Wir wollen unser Herz auf dem Parkett lassen und immer mit großer Intensität spielen. Genau das will man hier in Bonn sehen“, verkündet der gebürtige Leverkusener und EM-Bronzemedaillengewinner Sengfelder, von den Leistungsträgern her mit 28 Jahren der Teamroutinier. Cheftrainer Moors (44) kennt Sengfelder aus Bamberg, Frey und Pape aus Göttingen, was durchaus einen Stabilisationsfaktor im gänzlich neuen Gefüge mit sich bringt.
Realistisch betrachtet sind die Telekom Baskets den MLP Academics als Klub wie Organisation einige Schritte voraus. Seit 27 Jahren ist Magenta ununterbrochen in der Bundesliga vertreten. „Sie besitzen den Telekom Dome. Sie haben dort Trainingseinrichtungen, ein Büro, einen Kraftraum, einen Physio-Raum etc. – das ist der größte Unterschied“, erklärt Joonas Iisalo, der gemeinsam mit den Academics-Verantwortlichen perspektivisch auch die dazugehörige Infrastruktur in der Neckarstadt verbessern möchte.
Freilich ist das am Sonntag Zukunftsmusik. Unsere MLP Academics können diese harte Auswärtsaufgabe befreiter als das Kellerduell in Crailsheim angehen. Womöglich hilft das ja, um die Dramaturgie im Telekom Dome spannend zu gestalten. Um eine Redewendung aus dem nachbarschaftlichen Kölschen Grundgesetz zu entlehnen: Et kütt wie et kütt.
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien