So macht es allen Beteiligten riesigen Spaß: Als Bennet Hundt 3:31 Minuten vor dem Ende einer intensiven Partie seinen vierten Freiwurf hintereinander in der Reuse versenkt und den Vorsprung auf 80:69 im Duell zwischen den MLP Academics Heidelberg und den Würzburg Baskets ausgebaut hatte, da gab es im brodelnden „Kessel“ des SNP domes kein Halten mehr. Die Fans schwenkten ihre Schals sowie alles, was eben gerade griffbereit lag, schrien sich die Seele aus dem Leib und bedachten die Mannschaft bis zur Schlusssirene und zum finalen 93:82 (17:24, 26:19, 21:22, 29:17) mit Ovationen. „Das ist ein großartiger Erfolg gegen ein wirklich starkes Team“, sagte hinterher Topscorer Vincent Kesteloot, „wir hatten heute ein konstantes Level und eine starke Defense gegen ihre Isolation Plays.“ Damit traf Rebound- und Arbeitstier Kesteloot den Nagel auf den Kopf. Heidelberg zeigte vor 3.406 Zuschauern in der easyCredit Basketball Bundesliga am Samstagabend eine sehr kompakte und konstante Vorstellung und scheint die Negativserie von fünf Niederlagen in die „Mottenkiste“ gepackt zu haben. Nach dem 107:101 gegen Bayreuth war das 93:82 gegen Würzburg zugleich das zweite Erfolgserlebnis hintereinander. Darüber hinaus bildet der Wendepunkt ein gutes Fundament für das Derby am Mittwoch (19 Uhr, live ab 18.45 Uhr bei MagentaSport) bei den FRAPORT Skyliners Frankfurt.
Wahrscheinlich war das Match gegen die physisch starken Mainfranken sogar mit die bislang beste Vorstellung vor heimischer Kulisse – das Bonusspiel in der SAP Arena Mannheim gegen den FC Bayern (83:87) sei an dieser Stelle der Analyse und Nachbetrachtung mal ausgeklammert.
„Eine super Mannschaftsleistung“, bewertete hinterher Kapitän Akeem Vargas die rasante Korbjagd, „vor allem spät im Spiel haben einige Bankspieler von uns tollen Input gegeben.“ Das stimmt – über 35 Minuten haben die Academics nahezu makellos gezockt und jede Menge Energie investiert. „Es war sehr anstrengend, doch am Ende haben wir sie müde gemacht und hatten dann die besseren Wurfoptionen“, berichtete der Ex-Würzburger Max Ugrai. Dem Co-Kapitän und Power Forward, wenngleich er 28 Sekunden vor dem Ende das Parkett mit Foulhöchstzahl verlassen musste, schmeckte dieser Sieg gegen seinen früheren Heimatklub ganz besonders.
Dabei sah es zunächst nicht so rosig für die Hausherren aus. Sie konnten die Würzburger im Eins-gegen-Eins zu selten stoppen, vor allem Cameron Hunt lief heiß. Kritisch war’s beim zwischenzeitlichen 13:24 (9.). Den ersten Turnaround brachte die Umstellung auf eine sehr bewegliche Zone mit beeindruckenden Hilfen untereinander, womit man die selbstbewussten Baskets aus dem Rhythmus brachte.
Noch bemerkenswerter indes, dass die Academics auch den zweiten Durchhänger in der Partie kompensierten. Über vier Minuten lang markierten sie nach dem 43:43 zur Halbzeit keinen einzigen Punkt. Und als Felix Hoffmann einen Dreier mit Ablauf der 24-Sekunden-Uhr zum 51:60 (27.) nadelstichartig setzte, schienen die Gäste das Momentum auf ihre Seite zu ziehen. Weit gefehlt: Die Academics hatten immer die passende Antwort parat. Der überragende Belgier Kesteloot (Dreier mit dem Viertelende!), Akeem Vargas und Wirbelwind Eric Washington (jeweils ein Dreier) ließen binnen nur 80 Sekunden und drei Angriffen den Faden nicht abreißen (64:65, 3. Viertel).
Im Schlussviertel machten die MLP Academics einfach unverdrossen weiter. Diese Hartnäckigkeit, ja Unnachgiebigkeit zahlte sich aus. Sie setzten sich langsam, aber sicher etwas ab – wohingegen die Würzburger zusehends in Foultrouble kamen und sich zudem ihr Spielmacher Stanley Whittaker verletzte (37.). So ist es häufig im hochklassigen Basketball: Ein einziger Lauf (14:2 für Heidelberg!) im richtigen Moment kann entscheidend sein. Washington und Co. griffen im Schlussviertel ins oberste Offensivregal. Ihnen gelang nun zur Begeisterung des mitfiebernden Publikums fast alles. Allein 29 Punkte in den letzten zehn Minuten sind einfach ein Wort.
Und wenn man als Team auch Nervenstärke von der Freiwurflinie (24/26, 92 Prozent!) beweist, dann bringt man eben eine über weite Strecken ausgeglichene Partie überraschend deutlich nach Hause und vermag den Ruf als „Overtime-Spezialisten“ mit Hang zu Dramatik in wohltuender Art und Weise zu relativieren.
Die MLP Academics sind auf einem guten Weg, homogener zu werden. Unübersehbar, dass Eric Washington zu alter Stärke zurückfindet; dass Vincent Kesteloot dank seiner Mentalität und Smartheit eine zentrale „Schachfigur“ auf dem Taktikboard von Headcoach Joonas Iisalo darstellt; dass Max Ugrai mit stoischer Ruhe, Schlitzohrigkeit und Übersicht ans Werk geht; dass Bryan Griffin als Brettcenter mit seiner Dunkingvorliebe und körperlichen Präsenz besticht; dass Akeem Vargas seine unendliche Erfahrung gewinnbringend einsetzt; dass Shy Ely und Bennet Hundt von der Bank wichtige Impulse setzen; Elias Lasisi und Tim Coleman viel mehr können als Samstagabend phasenweise aufflackernd; dass Lukas Herzog und insbesondere De’Jon Davis es gerade in der Rotation nicht leicht haben, aber genau wie Felix Edwardsson an ihre Chancen glauben müssen.
Die Saison dauert bis in den Mai. Da kann auf dem Erstliga-Parkett noch jede Menge passieren, erst recht, weil die überwiegend neu zusammengewürfelten BBL-Mannschaften stärker werden.
Wie mehrere Premierenbesucher am Samstag betonten, werde im SNP dome „großartiger Sport und Heidelberg-Feeling“ geboten. Das ist ein wirklich schönes Feedback – und bestärkt die Academics-Organisation in ihrem eingeschlagenen Kurs, immer mehr Puzzleteile aneinander zu fügen und diese alte, junge Korbjäger-Hochburg emotional zu erreichen. Beispiele gefällig? In der Halbzeitpause gab es diesmal eine Einlage der U10 vom Nachbarschaftsverein TG Sandhausen unter der Leitung der TGS-Institution Rolf Schneider. Und es steht noch ein Academics-Helferfest in der „Baracca Swiss“ in Leimen bevor. In der Fondue-Hütte und Mini-Schweizer-Alpenwelt ist gewiss lockere Stimmung und Erwärmendes am Kaminfeuer zu erwarten.
Klar, nach solch einem hart erkämpften und verdienten Triumph wie gegen die Würzburg Baskets lässt sich alles, auch außerhalb des basketballerischen „Wohnzimmers“ SNP dome, mit großer Freude angehen.
Stimmen zum Spiel:
„Wir konnten gute Würfe während des Spiels kreieren und standen oft an der Freiwurflinie. Wir konnten unsere Defensive während des gesamten Spiels aufrechterhalten. Würzburg hatte einen guten Plan für unsere Defensive, daher hat es einige Zeit gedauert, bis wir in das Spiel gefunden haben, aber im letzten Viertel konnten wir unsere Chancen ausspielen, vor allem in den Eins-gegen-Eins-Situationen.“ – Joonas Iisalo, Headcoach der MLP Academics
„Herzlichen Glückwunsch an Heidelberg. Wir haben zu viele Gegentreffer erhalten. Der größte Unterschied war die Kreativität. In einigen statistischen Elementen waren wir besser, nur bei den Freiwürfen und den Teamfouls mussten wir Abstriche machen, das hat den Unterschied gemacht. Ich respektiere Heidelberg für den Sieg. Sie haben eine gute Art, Basketball zu spielen. Wir haben alles gegeben, es war eine tolle Stimmung und eine großartige Atmosphäre.“ – Sasa Filipovski, Headcoach der Baskets
„Großartiger Sieg, großartige Atmosphäre! Jeder war dabei und hat heute hart gespielt. Würzburg hat uns alles abverlangt. Wir haben die Fans mit reingenommen und zum Schluss wichtige Würfe getroffen.“ – Eric Washington, Playmaker der MLP Academics
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Vincent Kesteloot 22 (1 Dreier), Eric Washington 20 (3), Akeem Vargas 12 (2), Bryan Griffin 11, Elias Lasisi 7 (1), Shy Ely 7, Max Ugrai 5, Tim Coleman 5, Bennet Hundt 4, Lukas Herzog (DNP), Felix Edwardsson (DNP).
Würzburg Baskets: Cameron Hunt 17 (2), C.J. Bryce 16 (1), Filip Stanic 12, Collin Welp 9 (1), Stanley Whittaker 9 (1), Felix Hoffmann 8 (2), Julius Böhmer 5 (1), Nicolas Carvacho 4, O. Showen Willams 2, Elijah Ndi (DNP).
Text: Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien