Dieser Abend wird zweifelsfrei in die Geschichte der Barmer 2. Basketballbundesliga eingehen. Im neuen Playoff-Format, welches in zwei 4er Gruppen mit Hin- und Rückspiel ausgetragen wird, hatten die MLP Academics Heidelberg im heimischen SNP DOME die Gelegenheit, die Aufstiegsträume der Kirchheim Knights vorzeitig zu beenden und die eigene Position weiter zu festigen. Eine 114:118 Niederlage nach drei (!) Verlängerungen hingegen lässt die Gruppe zwei nun wieder wesentlich spannender werden, als es den Heidelbergern lieb sein kann. Zwar führt man die Tabelle nachwievor an. Die Kirchheimer als auch die Eisbären Bremerhaven sitzen Heidelberg (drei Siege) nun aber mit je zwei Siegen fortan im Nacken.
Wenn sich zwei Teams im Kampf um den Aufstieg in drei Verlängerungen und einem kämpferisch sowie spielerisch hochklassigen Spiel über 55 Minuten lang duellieren, die Spieler die allerletzten Energiereserven nach ohnehin anstrengenden Wochen irgendwo aus ihrem müden Körper rausziehen, die Trainer mehr schwitzen als manch einer beim Joggen am Neckar, einer der Schiedsrichter aufgrund der Anstrengung umknickt und die Fingernägel der Zuschauer am Stream und in der Halle um ein Drittel kürzer sind, dann weiß man, welch ein Drama sich gestern im Dome vor den Toren Heidelbergs abgespielt hat. Es ist quasi unmöglich eine Pressemitteilung zu verfassen, die diesem Spiel gerecht würde. Gehen wir es chronologisch durch.
Der Start in die Partie ließ schon erahnen, dass dies kein Spiel wie jedes andere werden sollte. Erstaunlicherweise stellte der sonst recht abergläubische Coach ‚Frenki‘ Ignjatovic die Starting Five. Für Armin Trtovac rückte Kapitän Phillipp Heyden und für Sa’eed Nelson Ely in die Startformation. Den Sprungball entschied Heyden für sich, womit der erste Angriff den Heidelbergern gehörte. Die Kirchheimer deuteten bereits im hier an, dass sie gekommen waren, um die zwei Punkte aus Heidelberg zu entführen. Sie verteidigten aggressiv am Ball, machten alle Laufwege zu und zwangen den Gastgeber bei noch zwei Sekunden auf der Shotclock fast zum Turnover. Doch Evan McGaughey konnte den Ball, den Niki Würzner quer übers Feld gepasst hatte, gerade so runterpflücken und in der Luft stehend an Ely weiterpassen. Dieser hatte keine andere Wahl mehr als aus über acht Metern abzudrücken. Swish!
Aber warum gehen wir bei einem Spiel mit drei Verlängerungen so intensiv auf die ersten 24 Sekunden ein? Es gibt schließlich noch weitere 54:36 Spielminuten, die abgearbeitet werden müssen. Nun ja, dieser Dreier war nicht einfach nur ein Beweis für Ely’s Treffsicherheit vom Perimeter. Mit diesem Dreier knackte der sympathische Familienvater auch die 2.500 Punkte Marke für Heidelberg! In der Geschichte der ProA, gibt es keinen Importspieler, der mehr Punkte für einen Verein erzielt hat. Danke Shy!
Zurück zur Partie, in welcher sich die Heidelberger sich offensiv wie defensiv schwer taten. Ein Alleyoop Anspiel nach einem Backdoor-Cut (ein Spieler schleicht sich im Rücken des Verteidigers davon und wird in Korbnähe hoch angespielt) ist für den Zuschauer schön anzuschauen. Nicht hingegen für den Trainer der verteidigenden Mannschaft, denn ein solches Play gelingt nur dann, wenn die Verteidigung nicht auf dem Feld ist. Dass dann gleich die ersten beiden Angriffe der Ritter mit einem solchen Korberfolg endeten, beide Male verwertete Max Mahoney, muss Frenki innerlich zum Kochen gebracht haben. Er ließ sich, vielleicht in einer hellseherischen Vorahnung einen langen Abend zu haben, jedoch kaum etwas anmerken. Die Academics fingen sich denn auch und konnten sich in den nächsten auf 10:4 absetzen.
Aus unserem letzten Bericht stammt folgende Passage:
Sicherlich wird er (Igor Perovic) auch eine deutliche Leistungssteigerung von Nico Brauner und Kyle Leufroy sehen wollen. Die beiden Säulen der Kirchheimer Offensive konnten auf zusammen gerade mal neun Punkte gehalten werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass das deutsch-amerikanische Duo am Montag Abend erneut eine solche Leistung auf das Parkett bringt.
Als hätte Nico Brauner sich unsere PM zu Herzen genommen, fiel er im ersten Viertel nicht nur optisch sondern auch spielerisch auf. Neben einem Assist zu einem der Alleyoops durch Mahoney erzielte er auch sechs Punkte am Stück um seine Farben im Spiel zu halten. Am Ende sollten er und Leufroy auf 35 Punkte kommen. Verhindern konnte er eine 20:14 Führung für den Gastgeber dennoch nicht, bei denen insbesondere Ely gut in die Partie kam.
Eine Stärke des diesjährigen Teams ist die Fähigkeit, sich durch attraktiven Tempobasketball schnell absetzen zu können. Nach drei gespielten Minuten im zweiten Viertel hatten die Academics die Führung bereits auf 10 Punkte hochgeschraubt. Doch auch die Kirchheimer verfügen über die individuelle Klasse aber eben auch den Kampfgeist im Team, den es braucht, um sich aus solchen Lagen zu befreien. Es entwickelte sich fortan ein offener Schlagabtausch, in dem beide Teams aber insbesondere die Gastgeber durch eine gefällige Offense zu überzeugen wussten. Als man 1:42 Minuten vor dem Ende der ersten Halbzeit auf 42:29 enteilt war, sah es erneut nach einem überzeugenden vierten Sieg im vierten Spiel aus.
Einige Nachlässigkeiten in der Verteidigung sowie vermeidbare Fehler im Angriff ließen die Knights mit einem 6:0 Lauf auf 42:35 verkürzen und dem guten Gefühl des Momentums auf ihrer Seite in die Kabine gehen. Wer die Spiele der Academics aufmerksam verfolgt erinnert sich, dass die Heidelberger im Hinspiel vor drei Tagen selbst mit 12 Punkten zurücklagen und die Partie in der zweiten Halbzeit durch eine große Kraftanstrengung noch umbiegen konnten.
Das dritte Viertel begann, wie das zweite aufgehört hatte. Die Kirchheimer waren hellwach, zwangen die Kurpfälzer zu schweren Würfen oder Ballverlusten, die sie dann wiederum auf der Gegenseite zu erfolgreichen Korbabschlüssen verwerteten. Lediglich zwei magere Pünktchen durch Shy Ely standen bis zur 5. Minute des dritten Viertels auf der Habenseite. Die Folge: nach einem 13 Punkte Rückstand waren die Schwaben plötzlich in Führung, welche von der Bank aus lautstark bejubelt wurde. Die Intensität dieser Partie war fast greifbar, eine ganz besondere Atmosphäre lag in der Luft des Domes. Man stellte sich wohl hier und da etwas wehmütig die Frage, wie es wohl wäre, wenn die Ränge mit lautstark unterstützenden Fans der jeweiligen Lager gefüllt wären. Zurück zum Spielgeschehen.
Die Academics fingen sich erneut und konnten – angetrieben von Nelson und Ely – und einem erfolgreichen Dreier durch Albert Kuppe den Schaden minimieren und die Führung wiederherstellen. Nun galt es, den 61:57 Vorsprung im Schlussabschnitt nicht nur zu verwalten, sondern schnellstmöglich auszubauen.
Es war die Saison 2013/2014. Die Academics, damals unter Coach Tony Garbelotto sind auf einem Playoffplatz und benötigen nur noch einen Sieg aus zwei Spielen, um die Endrunde zu sichern. Mit zwei Siegen wäre es eine Top 4 Platzierung. Das letzte Viertel der Partie gegen die ETB Wohnbau Baskets steht im heimischen Olympiastützpunkt an. Die vorproduzierten Playoff-Shirts liegen noch, man will schließlich keine bösen Geister hervorrufen, im Kofferraum des Ausrüsters Eckhard Tolksdorf (et Sport), als die Academics mit 11 Punkte in Führung gehen. Blickkontakt zum Ausrüster: ‚Kannst die T-Shirts holen, Eckhard‘. Kaum verlässt dieser die Halle, nimmt das Drama seinen Lauf. Devin White knickt beim Versuch seinen Gegenspieler zu blocken um und muss verletzt das Feld verlassen.
Die Essener wittern ihre Chance und knabbern den Vorsprung Punkt um Punkt ab. Zwar erzielte ein gewisser Shyron Ely damals 28 Punkte . Der Sieg ging auf der Schlussgeraden dennoch an den Gast, womit die Academics beim folgenden Auswärtsspiel unter Zugzwang gerieten. Long story short: man verlor anschließend auch das Spiel in Ehingen und verpasste den Einzug in die Endrunde.
Das vierte Viertel begann zunächst vielversprechend für die Gäste, die innerhalb der ersten beiden Angriffe den schnellen Ausgleich erzielen konnten. Doch dann kam sie wieder ins Rollen, die unwiderstehliche Offense der Academics. Kuppe, Nelson, Loh und Ely packten in der Defense konsequent zu und bestachen vorne durch schnelles Passspiel und beeindruckender Treffsicherheit aus allen Lagen. In weniger als drei Minuten setzte es einen 11:0 Lauf und das Gefühl, gerade die Vorentscheidung erlebt zu haben, macht sich wohl auch an den heimischen Bildschirmen breit. Schließlich führte man ja mit elf Punkten im letzten Viertel…
Doch da gab es ja noch diesen Nico Brauner, der sich fest vorgenommen hatte, die Rolle des Spielverderbers einzunehmen. Seine zwei Dreier in Folge verkürzten den Rückstand zunächst auf 72:67 (35. Minute). Da aber auch die erfahrenen Andreas Kronhardt und Richie Williams Spaß an der Partie zu finden schienen, gingen die Gäste durch einen 11:0 Lauf ihrerseits bei noch anderthalb Minuten zu spielen mit drei Punkten in Front. War das jetzt die Vorentscheidung? Nein. Im nächsten Angriff gelang den Heidelbergern, begünstigt durch ein unsportliches Foul von Max Mahoney, ein Vierpunkte-Spiel. Führung Heidelberg. Diese hielt jedoch nicht lange, da Richie Williams, sonst nicht für seinen Wurf von außen wohl aber für seine ‚Clutchness‘ bekannt, eiskalt einen Dreier versenkte. Fünf Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit konnte Jordan Geist nervenstark an der Linie zumindest die Verlängerung erzwingen
In der ersten Verlängerung setzte sich der offene Schlagabtausch weiter fort. Es ging Schlag auf Schlag auf beiden Seiten. Erst Mitte der ersten 5 Minuten Extraschicht konnten sich die Gastgeber ein wenig absetzen und sahen erneut wie der wahrscheinliche Sieger aus. Bei noch 37 Sekunden zu spielen und eigenem Ballbesitz, Shaun Willett hatte gerade den Ball geklaut, leuchtete ein Mut machendes 95:92 auf der Anzeigetafel des Domes.
Die Devise war klar. Möglichst viel Zeit von der Uhr nehmen und nach Möglichkeit mindestens einen weiteren Punkt erzielen, um ein sogenanntes ‚Two-Possession-Game‘ herzustellen. Jordan Geist dribbelte die Zeit runter, fand kurz vor Ablauf der 24 Sekunden Ely an der Dreierlinie, dessen Wurf leider nicht den Weg durch die Reuse fand. Da Willett den anschließenden Offensivrebound nicht festhält, um sich foulen zu lassen, sondern den schwierigen Tip-In versucht und verfehlt, haben die Knights nochmal die Möglichkeit durch einen Dreier auszugleichen. Dieser lässt sich verhindern, wie jeder Basketballer weiß, indem man den Gegner foult und für zwei Freiwürfe (gleichbedeutend mit maximal zwei Punkten) an die Linie schickt. Im Eifer des Gefechts kann sowas jedoch auch mal in Vergessenheit geraten. Wohl dem, der zwei Akteure in seiner Mannschaft hat, die solche vermeidbaren Fehler zu bestrafen wissen. Pass von Williams auf den an der Dreierlinie wartenden Tim Koch: Swish und Ausgleich!
Die zweite Verlängerung begann offensiv etwas verhaltender. Fehlwürfe, Turnover und liegengelassene Freiwürfe prägten das Spielgeschehen auf beiden Seiten. Eine der wohl mit entscheidenden Szenen des Spiels war das fünfte Foul von Phillipp Heyden, der wie bereits im Hinspiel eine solide Partie ablieferte und fortan dazu verdammt war, seine Jungs von außen anzufeuern. In dieser Verlängerung gelang es den Kirchheimern durch den wie entfesselt aufspielenden Richie Williams (am Ende hatte der US Amerikaner 20 Punkte und 7 Assists bei einer Effektivität von 30) sich auf 99:103 abzusetzen. Eine Minute waren noch zu spielen. Fünf Punkte des überragenden Ely und ein erfolgreicher Korbleger von Willett nach schönem Zuspiel durch Würzner bedeuteten die dritte Extrarunde
Die Marschroute, sofern es überhaupt noch eine gab, war für beide Teams das Mobilisieren der letzten noch verfügbaren Kräfte. Noch einmal fünf Minuten, noch einmal um jeden Quadratzentimeter kämpfen und irgendwie den Sieg nach Hause holen. Mit Schönspielerei würde man kaum mehr rechnen oder gar gewinnen können. Unerbittlicher Kampf mit müden Beinen wie bei einem Boxer in der 12 Runde war jetzt angesagt.
Nach einem erfolgreichen Dreier von Geist gelang es den Academics sich wieder einmal auf vier Punkte abzusetzen. Und wieder war es ein Foul, wie schon in den ersten beiden Verlängerungen, welches entscheidenden Einfluss auf das Spiel haben sollte. Ein Unsportliches und gleichzeitig das fünfte Foul von Albert Kuppe. Somit hieß es: Platz nehmen neben Phillipp. Zwar konnten die Gäste den möglichen Ausgleich nicht (gleich) erzielen. Ein erfolgreicher Korbleger durch Willett zum Stand von 114:110 sollten jedoch das letzte Positiv-Highlight der Partie aus Sicht der Heidelberger sein, denn es folgte der spielentscheidende 8:0 Lauf der Gäste, bei welchem Richie Williams (wer auch sonst) mit einem erfolgreichen Dreier den Deckel auf eine denkwürdige Partie machte.
Ein solcher Showdown hätte eine vollbesetzte Arena wohl zum Tollhaus werden lassen. Eventuell hätte der sechste Mann am Ende den Unterschied gemacht. So allerdings bleibt es spannend in Gruppe 2, denn am Donnerstag geht es bereits weiter zu den Wiha Panthers Schwenningen. Viel Arbeit für die Physiotherapeuten, wenig Zeit für die Spieler sich auszukurieren.