Vor ausverkauftem Haus gab es für den Außenseiter sehr viel Anerkennung. Die MLP Academics Heidelberg zeigten zum Abschluss der Englischen Woche gegen den Spitzenreiter und amtierenden deutschen Meister Alba Berlin beim 86:94 (14:18, 20:22, 22:26, 30:28) eine sehr respektable Vorstellung, doch im Endeffekt waren die „Albatrosse“ mit ihrem hochkarätigen, tief besetzten Kader eine Nummer zu groß, um sie ernsthaft in die Bredouille bringen zu können. Dennoch überwiegt bei den Heidelbergern nach einem kompromisslos geführten Match in der easyCredit Basketball Bundesliga eindeutig das Positive. Es sollte ein historischer Tag für die Universitätsstädter werden, denn zum ersten Mal war der im März 2021 eingeweihte SNP dome mit 4.136 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllt. Wegen der schwierigen Parkplatzsituation und wartender Fans vor den Eingangspforten wurde das Heimspiel erst zehn Minuten später angepfiffen.
Schon beim Einlaufen beider Teams, deren Präsentation und den ersten Aktionen auf dem Parkett herrschte Gänsehautatmosphäre im Academics-„Wohnzimmer“ SNP dome. Jeder in der Multifunktionsarena fieberte diesem ganz besonderen Moment entgegen. Die Dezibel-Skala zeigte Höchstwerte an, als Publikumsliebling Eric Washington binnen 27 Sekunden aus einem 0:5 ein 5:5 (3.) gelang. Alba ließ sich einen Wimpernschlag lang beeindrucken. Beleg dafür war das frühe Technische Foul gegen den neuseeländischen Center Yanni Wetzell (4.), der sich nach einer vergebenen Chance am Brett gleich wütend beschwerte. Mit 7:5 und 10:8 lagen die Academics in Front – die beiden einzigen Führungen in der gesamten Partie.
Berlin spielte fortan geschickt seine körperliche Überlegenheit aus und forcierte Missmatch-Situationen, die nur schwer zu stoppen sind und viel Kraft kosten. Der Dreier von Louis Olinde zum 22:34 (17.) sollte ein erster Knackpunkt sein, erst recht, da Bryan Griffin und Tim Coleman bereits in dieser Phase ihr jeweils drittes Foul kassiert hatten. Das Referee-Trio traf ab und zu unglückliche Entscheidungen – siehe etwa der Aufreger um das klare Seitenlinienaus eines Alba-Cracks sowie der daraus resultierende Korb für die Gäste.
Die Gemüter beruhigten sich indes schnell. Vor allem Max Ugrai und Washington hatten die passende Antwort parat und verkürzten auf 34:40 (Halbzeit). Mit einem viertelübergreifenden 11:0-Lauf bis zum 39:40 waren die MLP Academics eindrucksvoll zurückgekommen. Die begeisterten Fans peitschten die Iisalo-Männer nach vorne. Doch jedes Mal, wenn Hoffnung bei den Hausherren aufkam, wurde diese von den abgezockten Korbjägern aus der Hauptstadt buchstäblich im Keim erstickt. Gnadenlose Fastbreaks, energische Blocks, präzise austarierte Bewegungsabläufe in die Schnittstellen der Academics-Defense sowie gestochen scharfe Pässe illustrierten die herausragenden Qualitäten des Meisters, der nach den beiden bitteren Niederlagen in der EuroLeague gegen den AS Monaco (84:102) und bei Fenerbahce Istanbul (86:101) im BBL-Alltagsgeschäft sichtlich auf prompte Wiedergutmachung aus war.
Fast kühl, mitunter sogar mit einem Anflug von Arroganz, aber immer kontrolliert und ungemein effizient spulte Alba sein Programm runter. Spätestens beim 64:80 (36.) und 67:84 (37.) – Letzteres zugleich die größte Korbdifferenz – hatten die Gäste vollends für klare Verhältnisse in diesem David-Goliath-Vergleich gesorgt.
Umso bemerkenswerter, wie sich der Underdog gegen das drohende Unheil entschlossen zur Wehr setzte. Das relativ knappe Endergebnis von 86:94 – minus acht wie im Hinspiel (70:78) – konnte sich wirklich sehen lassen. Während bei den Berlinern sechs Akteure zweistellig scorten (Wetzell, Zoosman, Smith, Schneider, Olinde, Sikma), setzten bei den MLP Academics Max Ugrai (22 Punkte, 5 von 9 Dreiern!), Eric Washington (19 Punkte, 12 Assists!) und „Mister Dunking“ Bryan Griffin (14 Punkte) offensiv die meisten Akzente. Prima, dass sich die Heidelberger als vergleichsweise kleines Team auch beim Rebound gehörig ins Zeug legten – Vincent Kesteloot (10) und Washington (6) überzeugten diesbezüglich zum wiederholten Mal.
„Von Alba können wir jede Menge lernen. Sie agieren sehr konsequent und mit viel physischer Präsenz“, sagte Vincent Kesteloot über den BBL-Primus, der in Nordbaden den zehnten Erfolg in Serie einheimste, „sie denken nie über Fehler nach, sondern ziehen einfach ihr Ding durch.“ Korrekt, das verkörpert die Spielphilosophie der „Albatrosse“, die in der EuroLeague heuer wackeln und die Playoffs verpassen mögen, aber eben in der deutschen Eliteliga Orientierungsgeber und Motor für alle anderen 17 Teams sind.
Gleichwohl dürfen die MLP Academics stolz auf ihre Leistung sein. Sie hätten einen „Supertag“ benötigt, um Alba aus dem Konzept zu bringen. Während die Gastgeber von der Dreierlinie (12/30, 40 Prozent) ordentlich trafen, haperte es diesmal bei den Zweiern (21/41, 51 Prozent) und den Freiwürfen (8/14, 57 Prozent). Erklären lässt sich die Wurfquote dadurch, dass stets drei, vier Alba-Riesen den Weg zum Korb und somit den Abschluss aus fast jeder Position entscheidend stören.
Geht Heidelberg wie gegen den FC Bayern München (83:87) und nun gegen die „Albatrosse“ (86:94) ähnlich stark im Duell mit Teams aus dem Mittelfeld ans Werk, dann sind weitere Husarenstreiche drin. Die nächsten Gelegenheiten dazu bestehen bereits am Donnerstag (19 Uhr) beim Rangsiebten BG Göttingen und am Samstag (18 Uhr) bei ratiopharm Ulm. Rechnet man die Partien bei den Würzburg Baskets am 15. Februar (Mittwoch, 20.30 Uhr) sowie bei den MHP Riesen Ludwigsburg am 5. März (Sonntag, 15 Uhr) hinzu, dann stehen die MLP Academics vor der nächsten Bewährungsprobe – einem herausfordernden Auswärts-Viererpack.
Stimmen zum Spiel:
„Glückwunsch für Alba und danke für die Fans und die Atmosphäre heute vor einem ausverkauftem SNP dome. Es ist mein viertes Jahr in Deutschland – und Berlin war immer eine Inspiration für mich, wenn es darum geht, Rollen zu verteilen und wie fünf Spieler so ehrgeizig spielen können. Und du spielst 20 Sekunden eine super Defensive und dann gibt es ein kleines Loch und Luke Sikma findet diese Lücke und kann sie nutzen. Es ist frustrierend, wenn du als Team einen super Job machst und diese Jungs finden diese Lücke und machen alles zunichte. Ich denke, wir haben heute gut gespielt, nicht schlecht, aber gut. Aber gegen das beste Team in Deutschland reicht das nicht, du musst dein bestes Spiel spielen, um sie zu schlagen.“ – Joonas Iisalo, Headcoach der MLP Academics
„Glückwunsch an Heidelberg und an die Organisation für diese Atmosphäre heute. Es ist schön, hier Basketball zu spielen. Weiterhin danke für die Unterstützung, sie haben uns sehr herzlich willkommen geheißen und uns sehr respektvoll behandelt. Herzlichen Glückwunsch an die Heidelberger Mannschaft, sie haben bis zum Schluss sehr gut gespielt, sehr ehrgeizig und organisiert. Ich bin sehr glücklich, dass wir dieses Spiel gewonnen haben, nachdem wir zwei Euroleague-Spiele verloren haben.“ – Israel González, Headcoach von Alba
„Glückwunsch an Alba, die heute einen verdienten Sieg eingefahren haben. Ich denke, wir haben phasenweise guten Basketball gezeigt, haben aber defensiv noch einiges zu verbessern. Alba hat unsere Fehler, vor allem im Umschaltspiel, gnadenlos bestraft. Jetzt gilt es, aus diesen Fehlern schnellstmöglich zu lernen und besser zu werden, um dann schon am Donnerstag eine gute Leistung in Göttingen zeigen zu können. Ein besonderer Dank geht raus an unsere Fans, die wieder mal richtig Gas gegeben haben und uns 40min lang unterstützt haben. Ich freue mich jetzt schon auf unser nächstes Heimspiel in einem hoffentlich wieder ausverkauften SNP Dome!“ – Bennet Hundt
„Alba hat heute gezeigt, dass sie eine EuroLeague Mannschaft sind. Sie konnten immer wieder nach Ballgewinn oder unseren Körben schnell umschalten. Wir haben defensiv keinen Zugriff bekommen und konnten sie dadurch nicht wirklich stoppen. Am Ende hat uns leider in der Offensive die Firepower gefehlt. Alba hat sich dann im dritten Viertel absetzen können, unsere Dreier im letzten Viertel konnten uns zwar punktetechnisch wieder ranbringen, aber am Ende waren die Berliner zu routiniert.“ – Max Ugrai
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Max Ugrai 22 (5 Dreier), Eric Washington 19 (2), Bryan Griffin 14, Elias Lasisi 9 (2), Vincent Kesteloot 9, Akeem Vargas 6 (2), Bennet Hundt 5 (1), Tim Coleman 2, Shy Ely, Lukas Herzog, Felix Edwardsson (DNP).
Alba Berlin: Yanni Wetzell 20, Yovel Zoosman 14 (3), Jaleen Smith 12 (2), Tim Schneider 11 (1), Luke Sikma 10 (2), Louis Olinde 10 (2), Jonas Mattisseck 6 (2), Malte Delow 4, Tamir Blatt 3 (1), Ben Lammers 2, Abdulah Kameric 2, Johannes Thiemann.
Text: Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien