Vor dem ersten Jump zwischen einem Zweitligisten und einem Bundesligisten nach 14 Jahren im BBL-Pokal wurde viel über die Außenseiterchancen der vermeintlich kleineren Vereine gesprochen. Und relativ lange sah es am Freitagabend im Erstrunden-Duell zwischen dem BBC Bayreuth und den MLP Academics Heidelberg danach aus, als könnte das junge Heimteam für eine Überraschung sorgen. Doch nach 40 Minuten triumphierten die routinierteren Gäste mit 89:82 (26:22, 24:30, 19:13, 20:17). Vor 2.169 Zuschauern in der berüchtigten „Oberfrankenhölle“ war’s am Ende ein typischer Arbeitssieg, aus dem sich einige Lehren ziehen lassen. „Vielleicht hat dieses Spiel ja was Gutes“, sagte Paul Zipser hinterher, „wir werden Videos gucken und unsere Fehler analysieren.“
Eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit einer über weite Strecken vorhandenen Nachlässigkeit wird nötig sein, wollen unsere Academics auch gegen ein BBL-Topteam wie ALBA Berlin am 28. September (20 Uhr) bei der Heimpremiere im SNP dome Paroli bieten können. „Wir haben von Anfang an nicht unseren Gameplan umgesetzt“, sagte Playmaker Bennet Hundt, „die Bayreuther kriegen dadurch Selbstvertrauen. In der zweiten Halbzeit haben wir dann deutlich die Intensität hochgefahren.“
Eine treffende Beschreibung einer anfangs schwierigen Partie, die der Sturm-und-Drang-Mentalität des Bayreuther Kollektivs spürbar entgegenkam. Sie hatten nichts zu verlieren gegen den Favoriten – und mal unabhängig von den Höhen und Tiefen der Iisalo-Schützlinge muss man den „jungen Wilden“ des BBC einfach für diese couragierte Leistung Respekt zollen.
Die MLP Academics fanden zunächst keinen Rhythmus. Insbesondere das neue BBC-Guard-Duo, Shane Gatlin und Selim Fofana, bekamen die Gäste nicht in den Griff. Das Hauptproblem waren freilich die lückenhafte Transition-Defense und das bereits zu diesem Zeitpunkt instabile Reboundverhalten. Immer wieder gestattete man den Hausherren zweite oder gar dritte Bälle. „Bayreuth spielt härter. Wir müssen einfach die Basics im Basketball machen“, sagte Co-Trainer Hylke van der Zweep in der Pause (50:52).
Danach wurde das Spiel der Heidelberger merklich besser. Man stoppte den unbequemen Kontrahenten zusehends, operierte mit guten Aktionen aus dem Pick-and-Roll und nutzte die physische Überlegenheit am Brett immer mehr aus. Vincent Kesteloot und Marcel Keßen hatten diese Spielweise vorgemacht, gerade im dritten Viertel tat es Isaiah Whaley den Genannten nach. Da zudem Bennet Hundt mit zehn Assists (!) glänzte, Kapitän Akeem Vargas seine Cleverness einbrachte, Paul Zipser, Elias Lasisi und Jeffrey Carroll ihre Qualitäten offenbarten, lag man Ende des dritten Viertels in Front (69:65) und baute die Führung über 73:65 (32.), 78:69 (35.) bis hin zum 83:71 (37.) aus.
Dass es schließlich nochmals eng werden sollte und Moritz Plescher mit seinen zwei Freiwürfen 30 Sekunden vor der Schlusssirene die Chance hatte, bis auf 81:83 zu verkürzen, war völlig unnötig. Es blieb Carroll vorbehalten, nach 39:50 Minuten für den Bayreuther Knockout zu sorgen. Sein Dreier mit Foul und der verwandelte Bonuswurf bedeuteten das 87:79 für Heidelberg und die endgültige Entscheidung. „Es war keine einfache Situation für uns. Durch den neuen Pokalmodus hat man in der ersten Runde einen Favoriten und einen Underdog“, analysierte Headcoach Joonas Iisalo die wechselhafte und kräfteraubende Begegnung, „Bayreuth hat ein sehr gutes Spiel in der ersten Halbzeit gespielt. In der zweiten Halbzeit haben wir sie zu schwierigeren Würfen gezwungen und mehr Stopps provoziert. Bei 52 Punkten in der ersten Halbzeit haben wir defensiv keinen guten Job gemacht, 30 Punkte in der zweiten Halbzeit zeigen eine Verbesserung. Wir hätten das Spiel wie ein V8-Motor starten sollen, haben aber nicht alle Power aus dem Motor bekommen. Wir haben zu viele offensive Rebounds abgegeben und das Position Game verloren.“
Immer wieder forderte Iisalo seine Mannschaft zu mehr Entschlossenheit auf. Die Rebounds gingen an die körperlich unterlegenen BBCler (41/38) – dabei schmerzten vor allem 16 Offensivrebounds des ProA-Ligisten, der durch sein Engagement das begeisterungsfähige Publikum auf seine Seite zog. Bayreuth, das scheint fast jeder Korbjäger zu verinnerlichen, ist ein heißes Pflaster.
Trotz aller Widrigkeiten, Missgeschicke und zahlreichen kleinen Fehler bleibt festzuhalten: Das erste Ziel ist mit dem Einzug in die zweite Pokalrunde erreicht. Gegen die „Albatrosse“ wird die Mannschaft zweifellos anders auftreten. Zumal sich die Ausgangsposition und Rollenverteilung beim ersten Sprungball zur 58. Saison der easyCredit Basketball Bundesliga komplett verschiebt – die Academics werden nämlich in der Rolle des Herausforderers sein.
„Wir haben zu viele offensive Rebounds abgegeben und das Position Game verloren. Das war enttäuschend für mich, aber wir müssen auf die positive Seite schauen. Wir haben den Sieg geholt und nach den Schwierigkeiten zu Beginn ist das eine gute Nachricht. Jetzt müssen wir uns gut erholen und schauen, was wir besser machen können. Ich weiß, wir können einiges besser machen und müssen das gegen Berlin auch. Jetzt ändert sich die Ausgangslage: Wir sind der Underdog und spielen gegen den Favoriten Berlin, es wird ein anderes Spiel werden als heute.“ – Joonas Iisalo, Headcoach der MLP Academics.
„Wir sind zusammen und positiv geblieben. Wahrscheinlich hatten wir doch die Favoritenrolle im Hinterkopf. Bei uns ist noch reichlich Potenzial nach oben. Es ist klar, dass im ersten Spiel noch nicht alles klappen kann. Ich bin sicher, dass mit zunehmendem Saisonverlauf eine immer bessere Heidelberger Mannschaft zu sehen sein wird.“ – Bennet Hundt, Playmaker der MLP Academics.
„Ich weiß nicht genau, woran es lag. Wir müssen mehr Stopps holen – und wir haben nicht gereboundet. Andererseits ist es relativ egal, wie wir gewonnen haben. Wir sind erleichtert, in die nächste Runde eingezogen zu sein.“ – Paul Zipser, Forward der MLP Academics.
„Für uns ist die Niederlage sehr bitter. Wir hatten das Gefühl, dieses Pokalspiel gewinnen zu können. Dann haben wir die leichten Dinge nicht richtig gemacht und Heidelberg hat das super ausgenutzt. Es war ein großer Kampf von unserem Team.“ – Moritz Plescher, Guard des BBC Bayreuth.
„Ich bin sehr stolz, wie wir uns heute Abend präsentiert haben und muss meine Mannschaft loben. Speziell in der ersten Halbzeit haben wir mehr als gut gespielt und haben viele Sachen so gemacht, wie wir wollten. Vor allem im dritten Viertel haben wir unser Spiel dann nicht mehr gefunden und in ein paar Situationen unglücklich agiert, was in einfachen Punkten für Heidelberg resultiert hat. Trotz unseren Problemen haben wir uns zurückgekämpft. Im vierten Viertel waren wir dann wieder in Reichweite, leider sind die wichtigen Würfe nicht gefallen, auch wenn einige davon weit offen waren. Am Ende haben uns auch die liegengelassenen Freiwürfe die Möglichkeit gekostet, das Spiel zu drehen. Wir sind auf einem guten Weg, spielen attraktiven Basketball und die Jungs haben Spaß. Heute hat sich individuelle Qualität gegen Teambasketball durchgesetzt.“ – Mladen Drijencic, Headcoach des BBC Bayreuth.
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Jeffrey Carroll 19 (2 Dreier), Isaiah Whaley 13, Vincent Kesteloot 13 (1), Marcel Keßen 12, Elias Lasisi 11 (3), Paul Zipser 9 (2), Akeem Vargas 9 (3), Bennet Hundt 3 (1), Mike McGuirl, Niklas Würzner.
BBC Bayreuth: Selim Fofana 17 (2), Shane Gatling 14 (1), Moritz Plescher 11 (3), Lenny Liedtke 11 (3), Esa Ahmad 9, Aaron Carver 9, Kristian Sjølund 6 (2), Marios Giotis 5 (1), Marco Rahn, Louis Nauthon (DNP), Benedikt Hoppert (DNP), Renke Hillmer (DNP).
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien
Fotos: Lukas Adler / Ochsenfoto.de