Es tut doppelt weh, gegen einen unmittelbaren Tabellennachbarn zu verlieren. Headcoach Joonas Iisalo sprach nach dem 102:93 (23:21, 33:23, 31:23, 15:26) für die HAKRO Merlins Crailsheim von einer „enttäuschenden Niederlage“ – und in der Tat konnten die MLP Academics Heidelberg in der easyCredit Basketball Bundesliga drei Viertel lang nicht wirklich Paroli bieten. Vor 2.447 Zuschauern zauberten die Merlins fast nach Belieben, von der ersten bis zur letzten Sekunde frenetisch unterstützt von einer Kulisse, die sich auf den höchsten Dezibel-Stärken im deutschen Basketball-Oberhaus bewegt. Die „Stierkampfarena“ von Ilshofen, gelegen auf Feldern und Wiesen direkt an der A6, machte ihrem Ruf am Samstagabend alle Ehre – und von dieser rundum heißen Atmosphäre ließen sich die MLP Academics stark beeindrucken. Im Endeffekt freilich spielte selbst dieser Teilaspekt eine untergeordnete Rolle. Nach 30 Minuten (Zwischenstand 87:67) war das Baden-Württemberg-Derby zu Gunsten der Crailsheimer Offensivmaschinerie entschieden.
Man muss den Heidelbergern zugutehalten, dass sie nie aufsteckten und im Schlussviertel eine Aufholjagd mit viel Energie und einer Jetzt-erst-recht-Haltung starteten, die ihnen für die nächsten Herausforderungen gegen medi Bayreuth, die Würzburg Baskets und die FRAPORT Skyliners unbedingt Mut geben sollte. Den letzten Abschnitt konnten die Iisalo-Schützlinge mit 26:15 für sich gestalten, weil sie hier die Merlins stoppten und somit energisch Gegenwehr leisteten. Zuvor hatten sie vor allem die beiden Merlins-Akteure Myles Stephens (24 Punkte) und Edon Maxhuni (21) nicht in den Griff bekommen.
Das Hauptthema heißt Verteidigung: Mit 1.285 kassierten Punkten (im Schnitt 91,78) nach 14 Spielen verfügen die Academics über die zweitschwächste Defensive – übrigens vor den Merlins (1301 Punkte, 92,92) – in der BBL. Hier gilt es also den Hebel anzusetzen, um weiteres Unheil zu vermeiden.
Die Ursache für die fünfte Niederlage in Folge ist sehr schnell gefunden. Crailsheim versenkte insgesamt 16 Dreier (!) – und bis zum Schlussabschnitt waren es stattliche 15, die von den Hohenlohern mit einer Menge Geduld und Geschick herausgespielt wurden. Es erzielt leider nicht die erhoffte Wirkung bei den Academics, wenn man Pick-and-roll-Situationen hinter der Dreierlinie ordentlich verteidigt bekommt, dann aber die Scharfschützen des Gegners in den tiefen Positionen und Ecken des Spielfeldes frei stehen lässt und nicht entscheidend deren Wurfkünste zu stören vermag. Das war bedauerlicherweise in den letzten drei Partien (Bamberg, Hamburg und nun Crailsheim) mit der Knackpunkt.
Und in diesem „Hexenkessel“ von Ilshofen, der der Rinderunion Baden-Württemberg samt angrenzender Hallen gehört, wurde es vollends offensichtlich, dass die Academics im Bereich des Abwehrens gegnerischer sowie des Scorens eigener Dreier Verbesserungsbedarf haben. Denn die Merlins brachten es auf 16/30 Treffer (53 Prozent) jenseits der 6,25-Meter-Linie, die Academics hingegen auf 10/32 (31 Prozent). Noch klarer wird der Qualitätsunterschied, wenn man die Zwischenbilanz nach 30 Minuten zieht. Die Gastgeber hatten bis dahin 15, die Gäste lediglich fünf Distanzwürfe verwertet – umgerechnet macht das eine Hypothek von 30 Zählern, die schlichtweg nicht mehr wettzumachen ist und eben allenfalls Ergebniskosmetik bis zum finalen 102:93 für Stuckey und Co. möglich macht.
Wie anfällig die Merlins-Defensive ihrerseits ist und bei hohen Führungen zum Verwaltungsmodus und Schlendrian neigt, räumte hinterher Routinier Maurice Stuckey ein. Der 32-jährigen Legende der „Zauberer“ gelang der 500. Dreier und der 2.500. Karrierepunkt gegen Heidelberg. Stuckey wurde dafür nach der Schlusssirene von den enthusiastischen Fans minutenlang mit Standing Ovations gefeiert. Dennoch versäumte es der gebürtige Augsburger nicht, den Finger in die Crailsheimer Wunde zu legen: „Wir müssen lernen, dass wir bei hohen Führungen wie in Braunschweig und gegen Heidelberg nicht offensiv verkrampfen. Ich hatte heute das Gefühl, dass wir das Ergebnis verwalten.“ Kein Widerspruch.
Tim Coleman, an alter Wirkungsstätte mit 18 Punkten gemeinsam mit Playmaker Eric Washington der beste Scorer bei den MLP Academics, sagte selbstkritisch: „Wir müssen herausfinden, wie wir spielen und das Scoring des Gegners stoppen können. Wir benötigen Konstanz in unserem Spiel, bei allem, was wir tun.“
Topleistungen gegen „Übermannschaften“ wie Alba Berlin oder den FC Bayern München sind „Bonusgeschichten“. Unterm Strich gilt es nun für die Mannschaft, die kritische Situation und somit den begonnenen Abstiegskampf anzunehmen und bis in die letzte Faser des Körpers zu verinnerlichen, defensiv wesentlich stabiler und offensiv variantenreicher und smarter im Abschluss zu werden. Das ist als nächstes Etappenziel erreichbar.
Zumal es hundertprozentig nicht an der Einstellung liegt. Sie ist vorbildlich. In Crailsheim wurde gefightet, gemacht und getan. Ein abschließender 9:0-Lauf zum Endstand von 93:102 belegt dies eindrucksvoll.
Was bleibt? Volle Kraft voraus heißt es wieder am Sonntag, 15. Januar, um 15 Uhr (ab 14.45 Uhr live bei MagentaSport) im SNP dome gegen die Wagnerstädter aus Bayreuth. Für dieses Heimspiel sind aktuell bereits mehr als 2.000 Tickets verkauft. Die MLP Academics hoffen auf eine große Kulisse am Carl-Friedrich-Gauß-Ring 16 – und zählen gerade in einer für sie schwierigen, ja brisanten Saisonphase auf ihren sechsten Mann.
Deshalb: Rückenstärkung – in jeglicher Hinsicht – ist für das Team nach den jüngsten schmerzhaften Nackenschlägen gleich doppelt wichtig.
Stimmen zum Spiel:
„Glückwunsch an die Merlins Coach Markovic. Das ist eine schwere Niederlage trotz einiger guter Momente im vierten Viertel erzielt und mit 93 Punkten gibt man sich eine gute Chance zu gewinnen, doch heute hat es nicht gereicht. Trotzdem ist das eine enttäuschende Niederlage. Mein Team hat nie aufgegeben und bis zum Ende gekämpft. Wir haben nun etwas mehr als eine Woche Zeit, um uns auf das Heimspiel gegen Bayreuth vorzubereiten und dieses Spiel für uns zu entscheiden.“ – Joonas Iisalo, Headcoach MLP Academics Heidelberg
„Willkommen zurück zu Hause, Joonas! Gratulation an mein Team für einen großen Sieg. Wir haben diesen Sieg wirklich gebraucht, um unseren Fans zu zeigen, dass wir sie respektieren und schätzen, die uns die ganze Zeit unterstützen. Wir hatten großen Druck, zu beweisen, dass wir wirklich Wert auf einen Sieg und die Organisation dahinter legen. Es war ein großartiges Spiel. Ich bin zufrieden mit unserer Offensivleistung und wie wir uns mit Ball bewegt haben. Wir fanden Antworten auf das gute und physische Zusammenspiel der Heidelberger. Wir haben dennoch ein paar Probleme, was unsere Defensive betrifft, vor allem beim Ausboxen und im Umschaltspiel. Wir wünschen Heidelberg viel Erfolg in den nächsten Spielen. Die Liga ist so hart und ausgeglichen. Deshalb ist jedes Spiel so wichtig und hoffentlich machen wir auf diesem Weg weiter. Danke für die Unterstützung von unseren Fans und dem Management. Ich fühle mich hier echt wohl. Ich spüre jede Minute den familiären Zusammenhalt.“ – Nikola Markovic, Headcoach HAKRO Merlins Crailsheim
Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Tim Coleman 18 Punkte (1 Dreier), Eric Washington 18 (2), Vincent Kesteloot 17 (1), Elias Lasisi 12 (4), Max Ugra 11, Shy Ely 10 (1), De’Jon Davis 6 (1), Akeem Vargas 1, Lukas Herzog, Felix Edwardsson (DNP).
HAKRO Merlins Crailsheim: Myles Stephens 24 (2), Edon Maxhuni 21 (5), Jaren Lewis 13 (1), Bogdan Radosavljevic 13 (1), Maurice Stuckey 11 (3), Otis Livingston II 10 (2), Arunas Mikalauskas 7 (1), Rene Kindzeka 3 (1), Bruno Vrcic, Fabian Bleck, Elias Baggette (DNP), Asbjorn Midtgaard (DNP).
Text: Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien